Haftung des Steuerberaters bei nicht ordnungsmäßiger Kassenführung des Mandanten
Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen
Aufgrund der zurzeit und voraussichtlich auch noch für mehrere Jahre angewendeten und oft überzogen ausgelegten Verwaltungsanweisungen zur Führung einer ordnungsmäßigen Kasse entsteht für den Steuerberater eine problematische Situation. Besteht eigentlich eine Überwachungs- oder Prüfungspflicht der Kassenführung durch den Berater? Die Antwort ist kurz und knapp: Entscheidend ist hierbei der Beratungsauftrag.
Umfang des Beratungsauftrags
Unzweifelhaft sind die Erstellung der Kassenaufzeichnungen und die damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten zur Kassenführung Angelegenheiten, die der Mandant zu erbringen hat. Die Übernahme einzelner Teilbereiche im Rahmen der Kassenführung durch den Steuerberater ist hinsichtlich der Frage der Ordnungsmäßigkeit schädlich, weil Aufzeichnungen über Bargeldverkehr vor Ort und zeitnah zu erfolgen haben.
Um die Grenzen des Auftrags klar zu umreißen, ist eine schriftliche Auftragserteilung sinnvoll, die diese Grenzen auch hinsichtlich der Kassenführung aufzeigt. Es ist zu unterscheiden, ob der Auftrag die Erstellung der Finanzbuchführung oder nur des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen umfasst. Im Fall der Erstellung der Finanzbuchführung werden die vom Mandanten erstellten Grundaufzeichnungen zumindest mit ihrem Ergebnis bei Erstellung der Finanzbuchführung übernommen. Werden in den Grundaufzeichnungen Fehler entdeckt, kann Beratungsbedarf für den Mandanten entstehen.
Grundaufzeichnungen
Das LG Krefeld hat am 25.8.11 (3 O 93/11) hierzu festgestellt:
- Fehler im Bereich der Grundaufzeichnungen können einem Steuerberater nicht angelastet werden. Er ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob der Mandant seinen Pflichten als ordentlicher Kaufmann nachgekommen ist.
- Geschätzte Steuern können grundsätzlich keinen Schaden begründen, es sei denn, dass die geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt wurden.
Merke: Zum einen kommt es nach diesem Urteil darauf an, ob der beklagte Steuerberater verpflichtet war, zu prüfen, ob der Kläger seinen Pflichten als ordentlicher Kaufmann nachgekommen ist. Zum anderen kann ein Schaden bei Hinzuschätzungen nur dann entstehen, wenn der Kläger nachweist, dass die hinzugeschätzten Beträge tatsächlich nicht vereinnahmt wurden.
Etwas anderes ist es, wenn vom Mandanten selbst Fragen zu den Grundaufzeichnungen oder der Kassenführung mit elektronischen Registrierkassen bzw. PC-Kassen gestellt werden. Dies ist m.E. ein zusätzlicher Auftrag, der auch gesondert honoriert werden muss. Je nach Auftrag kann eine Haftung des Steuerberaters entstehen, wenn entsprechend vorgetragene Beratungswünsche zwar erfüllt werden, aber später von der Finanzverwaltung eine nicht ordnungsmäßige Kassenführung festgestellt wird und dem Mandanten ein entsprechender Schaden entsteht.
Beratung außerhalb des Auftrags
Inwieweit der durch den Mandanten erteilte Auftrag den Steuerberater verpflichtet, auch Beratungen und Hinweise zu erteilen, die außerhalb seines Auftrags liegen, wurde vom OLG Oldenburg (18.7.13, DStRE 3/2015) entschieden. Danach muss der Mandant die Beauftragung mit einer umfassenden Beratung beweisen. Bei einem eng umgrenzten Auftrag besteht für den Steuerberater keine Pflicht, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass keine Maßnahmen außerhalb des Auftrags ergriffen werden.
Merke: Fehler in den Grundaufzeichnungen bei Nutzung von elektronischen Registrierkassen und PC-Kassen sowie die Aufbewahrung aller, die Geräte und deren Programme betreffenden Unterlagen oder die Erfassung der Tageseinnahmen sind nicht vom Steuerberater zu überprüfen, wenn er lediglich den Auftrag hat, die Finanzbuchführung oder den Jahresabschluss zu erstellen.
Im Normalfall geht man davon aus, dass der Steuerberater überfordert ist, wenn er über Technik und Programme der eingesetzten Geräte oder über elektronische Programme zur Kassenführung Beratungen erteilen soll. Es sei denn, ihm wurde ausdrücklich der Auftrag erteilt. Auch die Aufzeichnungen für offene Ladenkassen, die in Kassenbüchern, Tageskassenberichten oder tabellarischen Kassenaufzeichnungen vorgenommen werden, haben zunächst den Anschein der Richtigkeit, wenn die Bargelderfassung täglich erfolgt und plausibel nachgewiesen werden kann, wenn keine Eintragungs- und Rechenfehler vorliegen oder diese ordnungsgemäß berichtigt werden. Wenn sich allerdings aus den Grundaufzeichnungen Fehler bei der Erstellung der Finanzbuchführung ergeben, ist der Steuerberater bereits aus berufsrechtlichen Gründen verpflichtet, seinen Mandanten auf die festgestellten Fehler und deren mögliche Folgen hinzuweisen und dies ggf. zu dokumentieren.
Wann kann eine Haftung für den Steuerberater eintreten?
Es kommt entscheidend darauf an, welchen Auftrag der Steuerberater angenommen hat. Auf die Notwendigkeit einer klaren, möglicherweise schriftlichen Definierung des Auftrags sei hier noch einmal hingewiesen. Das LG Krefeld hat in seinem Urteil a.a.O. festgestellt, dass selbst eine Prüfung der Kassenaufzeichnungen bei Erstellung der Finanzbuchführung durch den Steuerberater diesen nicht verpflichtet, zu prüfen, ob der Mandant als ordentlicher Kaufmann seinen Verpflichtungen nachgekommen ist.
Im Falle eines Dauermandats gilt diese Aussage jedoch nicht. Hier ist eine Prüfung durchaus durchzuführen. Ein Dauermandat liegt im Übrigen nach dem Urteil des OLG Koblenz (15.4.14, III U 633/13) bei fortlaufender Erstellung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen vor.
Wird im Rahmen einer Betriebsprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verneint und der steuerliche Berater hat auf ihm unmittelbar bekannt gewordene Fehler nicht hingewiesen, können Schadenersatzansprüche des Mandanten gegeben sein.
Eindeutig haftet der Steuerberater für seine Beratungen im Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu überprüfen, wenn bei einer späteren Betriebsprüfung die vom Steuerberater erteilten Hinweise nicht ausreichen, um eine ordnungsmäßige Kassenführung nachzuweisen. Der Mandant ist nicht entbunden, sich um die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung selbst zu kümmern und alle Voraussetzungen zu erfüllen, die nicht sämtlich vom Steuerberater überprüft werden können (z.B. tägliche Eintragung in das Kassenbuch oder den Kassenbericht, Erfüllung der Kassensturzfähigkeit, tägliches Zählen des Bargeldbestands).
Merke: Um eine Haftung gegenüber dem Mandanten zu vermeiden, ist es bei einem Dauermandat – insbesondere bei Erstellung der Finanzbuchführung – erforderlich, auf die erkennbaren Fehler der Kassenführung hinzuweisen, aber auch deutlich zu machen, dass darüber hinaus ein zusätzlicher Auftrag für die Beratung erforderlich ist. Die Hinweise sind schriftlich zu dokumentieren.
Ohne besonderen Auftrag ist der Steuerberater nicht verpflichtet, rund um das Thema „Einsatz von elektronischen Registrierkassen oder PC-Kassen und der Aufbewahrung von Organisationsunterlagen“ zu beraten. Er kann m.E. auch nicht als Haftender in Anspruch genommen werden. Auch der Einsatz eines elektronischen Kassenerfassungsprogramms ist vom Steuerberater nicht auf Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen, wenn er keinen gesonderten Auftrag hierzu erhält.
Haftungsfragen können sich auch ergeben, wenn die Feststellungen bei Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltung zu steuerlichen Hinzuschätzungen führen, ohne dass dies durch die Rechtsprechung gerechtfertigt ist. Dabei ist die Kassenführung in Form von Tageskassenberichten und zusätzlichem Einsatz von elektronischen Registrierkassen anders zu beurteilen als die Eintragung der Tageseinnahmen in ein Kassenbuch. Wenn der Mandant nachweisen kann, dass er bei Führung eines Tageskassenberichts den Kassenbestand am Ende des Tages zählt, sind diese Kassenaufzeichnungen entscheidend. Formelle Fehler wie z.B. das Fehlen von Organisationsunterlagen bei der eingesetzten Registrierkasse können dann nicht die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung infrage stellen.
Der BFH (14.12.11, XI R 5/10) hat entschieden, dass bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Mangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist. Entsprechend hat das Niedersächsische FG (17.11.09, XV K 12031/08) festgestellt, dass eine Buchführung trotz einzelner Mängel aufgrund der Gesamtwertung als formell ordnungsmäßig erscheinen kann.