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Kassenführung als Prüfungsschwerpunkt bei Außenprüfungen (Teil 2)

Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen

Die Niedersächsische Finanzverwaltung weist in einem Informationsschreiben für Angehörige der steuerberatenden Berufe darauf hin, dass im Rahmen von Außenprüfungen oder Nachschauen künftig verstärkt darauf geachtet wird, dass prüfungsrelevante Datenbestände vollumfänglich aufbewahrt und zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sind noch weitere Dinge zu beachten, wenn die Kasse nicht Stolperstein der kommenden Außenprüfung werden soll.

Augenmerk der Finanzverwaltung liegt auf Bargeschäften

Die Prüfer werden momentan darin geschult, die bisherigen Programmierungen zur Stammdatenerfassung festzustellen. Im Falle der Löschung oder bei fehlender Aufbewahrung ist die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung nicht gegeben. Im Fokus der Betriebsprüfung steht die Prüfung von Kassenführungen solcher Betriebe, die einen hohen Bargeldverkehr haben. Darunter fallen Bäcker, Fleischer, Friseure, Floristen oder sog. „Tante-Emma-Läden“. Aus praktischer Erfahrung kann festgestellt werden, dass die Anforderungen an die Kassenführung derartiger Betriebe oft weit überhöht sind und zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung führen.

Beispiel

Die Betriebsprüfung bei einer Gastwirtschaft beginnt mit der Überprüfung der Kassenaufzeichnungen, die in Form eines Tageskassenberichts, so wie ihn die Finanzverwaltung fordert, täglich handschriftlich erstellt wurden. Bei Durchsicht der Unterlagen hat der Betriebsprüfer für den Prüfungszeitraum festgestellt, dass an vier Tagen Streichungen bzw. zweimal Löschungen von Ausgabenbeträgen, die belegmäßig nachgewiesen waren, durch Tipp-Ex erfolgten. Dies war für ihn Grund genug, die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung infrage zu stellen und jährliche Hinzuschätzungen vorzunehmen, die auch im Rahmen der Schlussbesprechung nicht verändert werden konnten. Eine Nachkalkulation des Wareneinkaufs hat keine Differenzen ergeben.

Probleme in der Praxis

In vielen Fällen werden in den entsprechenden Branchen ältere elektronische Registrierkassen eingesetzt, die die technischen Voraussetzungen wie Speicherung der Einzeleingaben nicht erfüllen können. Die tägliche Ausgabe des „Z-Bons“ wird als Grundlage für die Kassenaufzeichnungen (z.T. auch Kassenberichte) genommen. Darüber hinaus wird der Kassenbestand am Tagesende gezählt, um z.B. in der Gastronomie auch die Abrechnung mit dem Bedienungspersonal vornehmen zu können.

Eine Aufrüstung der elektronischen Registrierkassen ist technisch oft nicht möglich. Die Anschaffung einer neuen elektronischen Registrierkasse ist in vielen Betrieben aus finanziellen Gründen problematisch.

Konsequenzen für die Praxis

Gerade diese älteren Registrierkassen sind das Objekt der Begierde des Prüfers. Schnell schleichen sich hier vermeintliche oder auch tatsächliche Mängel in der Kassenführung ein, die die frisch ausgebildeten Prüfer relativ einfach ermitteln. Diese Mängel reichen bereits für die Beanstandung der Kassenführung aus. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen sogar weitere Überprüfungen unterlassen werden, weil ein Mehrergebnis durch Hinzuschätzungen – oft nur wegen formeller Mängel – gerechtfertigt ist.

Beispiel

Die Kassenführung einer Bäckerei erfolgt anhand eines Kassenprogramms über einen PC, bei dem Bareinnahmen und Barausgaben in Form einer Liste erfasst und bei ständiger aktueller Berechnung des Kassenbestands fortgeschrieben werden. Änderungen werden im Programm dokumentiert. Die Einnahmen werden durch Auszählung unter Berücksichtigung der Barentnahmen ermittelt, wobei Kleinmünzen (20 Cent, 10 Cent, 5 Cent, 2 Cent, 1 Cent) nicht gezählt werden. Das Roh- und Reingewinnergebnis liegt über dem Mittelergebnis der Branche.

Die Außenprüfung führt zu Hinzuschätzungen, weil die Kleinmünzen nicht mitgezählt wurden und das Programm „Idea“ im Prüfungszeitraum drei Kassenfehlbeträge angezeigt hat. Es konnte nachgewiesen werden, dass keine Kassenfehlbeträge entstanden sind: Das Programm Idea hatte die Finanzbuchführung untersucht, wobei falsche Datumseingaben bei Bankeinzahlungen in der Buchführung – nicht in der Kassenführung – festgestellt wurden.

Das Ergebnis der Außenprüfung, nämlich Hinzuschätzungen wegen Nichterfassung der Kleinmünzen in den Tageseinnahmen, ist sachlich nicht nachvollziehbar. Wenn hierdurch Einnahmen verkürzt sein sollen, müsste der Bäcker die Kleinmünzen jeweils abends nach dem Zählen der übrigen Geldscheine und Münzen entnommen und privat verausgabt haben; denn bei einer revolvierenden Zählung des Geldbestands und der Tageseinnahmen in gleicher Weise sind die von den Vortagen verbliebenen Kleinmünzen entweder enthalten oder durch entsprechende Verwendung bereits verbraucht worden.

Generalverdacht gegen bargeldintensive Betriebe

Seit dem BMF-Schreiben vom 26.11.10 (BStBl I, 1342) meint die Finanzverwaltung, dass bei formellen Fehlern oder Unstimmigkeit die gesamte Buchführung des Steuerpflichtigen zu verwerfen sei. Als Ergebnis wird stets entweder eine gesamte Schätzung oder eine Hinzuschätzung auf die bisher erfassten Umsätze und Erträge vorgenommen.

Beispiel

Die Kassenführung einer Diskothek erfolgt in der Form eines Kassenberichts. Der Bericht beginnt mit dem Kassenbestand am Anfang des Tages, von dem die Barausgaben abgezogen und die durch Zählung erzielten Bareinnahmen hinzugezählt werden. Damit wird der Tagesendbestand durch Zählung des Bargelds abgestimmt. Das Roh- und Reingewinnergebnis wurde von der Betriebsprüfung als angemessen angesehen.

Die Außenprüfung führt zu Hinzuschätzungen, weil nach Ansicht des Finanzamts nicht der „richtige Tageskassenbericht“ benutzt wurde. Weitere Feststellungen wurden nicht getroffen.

Um die Voraussetzungen für eine ordnungsmäßige Kassenführung zu erfüllen, muss der Steuerpflichtige einen erheblichen Verwaltungsaufwand leisten, der im Einzelfall in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Bereits aus technischen Gründen ist es in vielen Fällen gar nicht möglich, die elektronischen Voraussetzungen der Verwaltungsanweisungen zu erfüllen.

Der BFH hat in seinem Urteil vom 14.12.11 (XI R 5/10, Abruf-Nr. 123698) entschieden, dass formelle Buchführungsmängel nur zur Schätzung berechtigen, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Eine Schätzung scheidet allerdings aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, soweit sie zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind.

Beachten Sie: Die eindeutige Rechtsprechung des BFH erlaubt es nicht, dass nur formelle Fehler oder unzureichende formelle Nachweise, wie Unterlagen der Programmierung der elektronischen Registrierkasse usw., zu Hinzuschätzungen berechtigen, wenn nicht auch andere materielle Fehler festgestellt werden.

Aus den Verwaltungsanweisungen geht hervor – und wird von der Finanzverwaltung entsprechend angewendet –, dass die Voraussetzungen, die für eine elektronisch geführte Buchführung erfüllt sein müssen, auch für solche elektronischen Einrichtungen im Betrieb des Mandanten gelten, die zur Ermittlung von Daten für die Buchführung eingesetzt werden (z.B. elektronische Registrierkassen, PC-Kassen, Warenwirtschaftssysteme usw.). Dies hat der BFH (16.12.14, X R 42/13, Abruf-Nr. 176203) bestätigt:

„1. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verpflichten Einzelhändler wie z.B. Apotheker, im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen.
2. Verwendet ein Einzelhändler, der in seinem Betrieb im Allgemeinen Waren von geringem Wert an ihm der Person nach nicht bekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkauft, eine PC-Kasse, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Verkäufen aufzeichnet und eine dauerhafte Speicherung ermöglicht, so sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar.
3. Die Finanzverwaltung ist in diesem Fall nach § 147 Abs. 6 AO im Rahmen einer Außenprüfung berechtigt, Zugriff auf die Kasseneinzeldaten zu nehmen.“

In dem bezeichneten Urteil führt der BFH aus, dass der Steuerpflichtige zur Aufzeichnung seiner einzelnen Geschäftsvorfälle einschließlich der Kassenvorgänge verpflichtet ist. Danach ist nach § 238 Abs. 1 S. 1 HGB jeder Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den GoB ersichtlich zu machen. Die handelsrechtlichen Pflichten werden zu solchen des Steuerrechts transformiert. Der BFH folgert daraus, dass grundsätzlich jedes einzelne Handelsgeschäft – einschließlich der sich darauf beziehenden Kassenvorgänge – einzeln aufzuzeichnen ist (BFH 12.5.66, IV 472/60, BStBl III 66, 371).

Der Senat weist klarstellend darauf hin, dass die geltende Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen nicht bedeutet, dass diese künftig einzeln gebucht werden müssen. Ausreichend ist insoweit – wie bisher – die Verbuchung der zusammengefassten Tageslosung. Entscheidend ist, dass sich diese auf die einzeln erfassten Verkäufe zurückführen lässt und diese – ggf. unter Zuhilfenahme des Warenwirtschaftssystems – nachweisbar sind.

Beachten Sie: Diese Rechtsprechung bedeutet, dass alle Unternehmen mit erheblichem Bargeldverkehr, soweit elektronische Geräte im Einsatz sind, die Einzelbuchungen erfassen und speichern können, diese auch gemäß der bestehenden Aufbewahrungspflichten nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zur Verfügung halten müssen. Sind keine entsprechenden Geräte im Einsatz, reicht die Erfüllung der bisher genannten Voraussetzungen zum Nachweis der Tageseinnahmen aus. Bei Führung einer offenen Ladenkasse stellt z.B. das Zählen des Tagesendbestands unter Berücksichtigung der in bar getätigten Ausgaben und des Bestands des Vortags einen Nachweis der tatsächlich erzielten Einnahmen dar.

Gemischte Kassenführungen

In den genannten Branchen werden oft gemischte Systeme der Kassenführung angewendet. So ist es durchaus üblich, dass Tageskassenberichte geführt werden und für die Einnahmen eine oder mehrere elektronische Registrierkassen im Einsatz sind, insbesondere, um mit dem Personal abrechnen und/oder rechnerisch mit der Ermittlung der Einnahmen abgleichen zu können.

Eifrige Betriebsprüfer gehen zurzeit davon aus, dass auch in diesen Fällen die genannten Nachweise für die im Einsatz befindlichen elektronischen Registrierkassen in vollem Umfang vorliegen müssen, obwohl die Tageseinnahmen über das System der offenen Ladenkasse ermittelt werden. Sind nicht alle im BMF-Schreiben geforderten Unterlagen für die Programmierung der elektronischen Registrierkassen vorhanden, wird in der Regel eine nicht ordnungsmäßige Kassenführung unterstellt.

Hinweis: Werden die Einnahmen im Rahmen eines Tageskassenberichts ermittelt, stellt dieses Vorgehen gemäß dem Urteil des FG Münster (26.7.12, 4 K 2071/09, Abruf-Nr. 123002) in Übereinstimmung mit langjähriger Rechtsprechung des BFH eine ordnungsmäßige Kassenführung dar. Wenn darüber hinaus Z-Bons aus elektronischen Registrierkassen zu Abstimmungs- oder Aufteilungszwecken (ggf. betriebswirtschaftliche Aufteilung oder Ermittlung verschiedener Umsätze) im Einsatz sind, kann die Buchführung nicht wegen unbedeutender formeller Mängel verworfen werden. Hinzuschätzungen können nicht infrage kommen.

Der Tageskassenbericht

Aus den Erfahrungen des Autors ist in allen Bundesländern nur ein Formular des Tageskassenberichts der „richtige“ Tageskassenbericht. Bei dieser Form des Tageskassenberichts beginnen die Aufzeichnungen mit dem gezählten Tageskassenendbestand, die bar verausgabten Beträge werden erfasst und hinzugerechnet, von dieser Zwischensumme wird der Bestand des Vortags abgezogen und die Differenz macht die Tageskasseneinnahmen aus.

Es bleibt offen, weshalb nur diese Form des Tageskassenberichts von der Finanzverwaltung als richtig angesehen wird – das Argument der Betriebsprüfer lautet: „Dann kann man davon ausgehen, dass der Tagesendbestand gezählt wurde.“

Hinweis: Nach unserer Überzeugung kann auch Tageskassenberichten, bei denen mit dem Tagesanfangsbestand begonnen wird, die täglich verausgabten Beträge abgezogen und der Zwischensumme die Einnahmen hinzugezählt werden und bei denen der Tagesendbestand als Endsumme als letzte Zahl auf dem Tageskassenbericht steht, nicht eine weniger wichtige Bedeutung für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zukommen. Auch dieser Tageskassenbestand muss vom Steuerpflichtigen mit dem Bargeldbestand abgeglichen werden.

Bewertung

Die von der Finanzverwaltung insbesondere mit BMF-Schreiben vorgegebenen Voraussetzungen zur ordnungsmäßigen Kassenführung, vor allem auch für den Einsatz von elektronischen Geräten bei der Ermittlung der Bareinnahmen und -ausgaben, haben größtenteils ihre Berechtigung, um insbesondere für die Außenprüfung Richtlinien zu schaffen, auf die sich auch der Steuerpflichtige einstellen kann.