Pflichten des steuerlichen Beraters bei Erkennung der Insolvenzreife des Mandanten
Teil A: Aufgabenbereiche Buchführung und Jahresabschlusserstellung
Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen
Die steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung von gewerblichen oder freiberuflichen Unternehmen basiert in der Regel auf einem Dauermandat und ist durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Berufsangehörigen geprägt. Diese Grundlagen führen dazu, dass im Falle der wirtschaftlichen Krise des Mandanten eine auf Vertrauensbasis begründete Intensivberatung gewünscht, aber auch erforderlich ist. Die Attraktivität der damit verbundenen Beratungsfelder hat allerdings auch eine Kehrseite, da umfangreiche Haftungsgefahren drohen.
1. Einführung
In der Regel sind Inhaber von KMU nicht in der Lage, eintretende Krisen und insbesondere deren Vermeidungsmöglichkeiten sowie die Notwendigkeit, erforderliche Handlungen und Reaktionen durchzuführen, zu erkennen. Hierzu fehlen in der Regel die wirtschaftlichen und juristischen Kenntnisse, die der steuerliche Berater jedoch zur Verfügung stellen kann.
Hieraus ergeben sich Betätigungsfelder für den steuerlichen Berater, die zwar oft schwierige und zeitaufwendige Beratungsleistungen erfordern, wobei aber die Möglichkeit der Erhaltung des Mandats und der Profilierung gegenüber dem Mandanten nicht außer Acht gelassen werden sollte. Um eine effiziente und zutreffende Beratungsleistung erbringen zu können, muss sich allerdings der Berufsangehörige sowohl mit den wirtschaftlichen und juristischen Problematiken der Krisenbewältigung als auch mit den Folgerungen aus einer Krise, die ggf. nicht abwendbar ist, beschäftigen und sich entsprechend fortbilden.
Nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), insbesondere des § 57 Abs. 1 StBerG, haben StB und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf
- unabhängig,
- eigenverantwortlich,
- gewissenhaft,
- verschwiegen und
- unter Verzicht auf berufswidrige Werbung
auszuüben. Für Wirtschaftsprüfer gilt gem. § 43 Abs. 1 Wirtschaftsprüferordnung (WPO) Entsprechendes. Nach § 43 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und nach § 43 a BRAO darf er keine Bindungen eingehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden; er ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese drei Berufsgruppen sind gem. § 3 StBerG berechtigt, umfassende steuerliche Beratung i.S. des § 33 StBerG auszuüben.
Aus dem Grundsatz der gewissenhaften Erbringung seiner Leistungen ist der Berufsangehörige verpflichtet, bei entsprechenden Dauermandaten auf Krisensymptome oder bei Eintritt der Krise auf Möglichkeiten der Bewältigung oder Beendigung auch ungefragt hinzuweisen. Unterlässt er die qualifizierte Beratung, die Aufklärung über die Krisensituation und Hinweise auf die Folgen der Krise, können nicht nur berufsrechtliche Ahndungen, sondern auch Schadensersatzforderungen des Mandanten und der betroffenen Gläubiger sowie strafrechtliche Konsequenzen die Folge sein. Hieraus folgt, dass der Berufsangehörige - solange er Inhaber des Mandats ist und insbesondere über die wirtschaftlichen Vorgänge im Mandantenbetrieb entweder durch Erstellung der laufenden Buchführung oder durch Erstellung oder Prüfung des Jahresabschlusses informiert ist – im Falle des Eintritts der Krise im Mandantenunternehmen entsprechende Hinweise und Beratungen ggf. unaufgefordert dem Mandanten erteilen muss. Dies trifft um so mehr in den Fällen zu, in denen der Mandant den steuerlichen Berater bereits beauftragt hat, aufgrund bestehender Krisensymptome entsprechende Beratungen durchzuführen. Unterlässt er dies oder gibt er falsche Hinweise, haftet er nach § 675 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB für alle hieraus entstehenden Vermögensschäden.
2. Unternehmenskrise
Unter Unternehmenskrise wird hier der Zustand eines Unternehmens verstanden, der es der Unternehmensleitung nicht mehr möglich macht, durch geeignete Entscheidungen im Investitions- und Finanzbereich den Unternehmensgesamtwert zu steigern oder auf einem erreichten Niveau zu halten. Bei Fortschreiten der Krise treten Störungen der Zahlungsfähigkeit gegenüber den Ansprüchen von Gläubigern ein und die Unternehmensleitung ist gezwungen, ungeplante Anpassungsentscheidungen zu treffen. Je nach Schwere der Krise reichen diese von Kürzungen von Investitionen bis hin zu Entlassungen von Arbeitnehmern oder Verhandlungen mit Gläubigern über Stundung oder Erlass von Zahlungsverpflichtungen. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, den Betrieb des Unternehmens in geordneten wirtschaftlichen Arbeits- und Zahlungsabläufen zu führen und ist die Ertragsfähigkeit des Unternehmen nicht mehr gewährleistet, ist das Vorliegen einer der Insolvenztatbestände der §§ 17 bis 19 InsO die Folge.
Für den steuerlichen Berater stellt sich die Frage, wie er eine sich anbahnende Krise erkennen kann. Dies ist je nach Ausgestaltung des Mandantenauftrags unterschiedlich zu beantworten. Als Krisensymptome können angesehen werden:
- Stagnierende oder rückläufige Betriebsleistungen
- Rückläufige oder fehlende Liquidität
- Erwirtschaftete Fehlbeträge
- Verminderung des Eigenkapitals – negatives Eigenkapital
- Steigende Verschuldung
- Hoher oder steigender Zinsaufwand
3. Erstellung der Mandantenbuchführung
3.1 Organisation der Buchführung
Bei dem Mandantenauftrag, die Buchführung des Mandantenunternehmens laufend zu erstellen, ist der steuerliche Berater aufgrund der Berufspflicht der Gewissenhaftigkeit gehalten, die wirtschaftliche Entwicklung des Mandantenunternehmens im Rahmen der sich aus der laufenden Buchführung ergebenden Daten zu beobachten. Sollten sich Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung ergeben, ist es zwingend, dass der steuerliche Berater den Mandanten darauf hinweist. Die Mandantenbuchführung sollte grundsätzlich so organisiert sein, dass die das Jahresergebnis beeinflussenden Faktoren neben den laufenden Buchungsvorgängen als kalkulatorische Posten erfasst werden (z. B. anteilige AfA des Anlagevermögens, anteilige Versicherungskosten, anteilige Zinsbelastungen, anteilige Rückstellungen usw.). Auch Veränderungen des Vorratsvermögens sollten bei wesentlicher Bedeutung unterjährig durch kalkulatorische Posten in die Buchführung eingebracht werden, so dass nach Fertigstellung der Jahresbuchführung, abgesehen von bilanzpolitischen Entscheidungen, bei Erstellung des Jahresabschlusses keine erheblichen Abweichungen zu dem buchhalterisch ausgewiesenen Jahresergebnis vorliegen.
Nur bei entsprechend organisierter laufender Buchführung ist der Berufsangehörige in der Lage, frühzeitig negative wirtschaftliche Entwicklungen im Mandantenbetrieb festzustellen und entsprechende Beratungsleistungen anzubieten. Eine Dokumentation der erstellten Zwischenergebnisse kann im Falle der Insolvenz des Mandanten den StB entlasten, wenn er auf die Entwicklung einer Krise hingewiesen hat. Rechtzeitige Hinweise auf Eintritt der Krise können den Mandanten aber auch in die Situation versetzen, frühzeitig der Krisenentwicklung entgegen zu wirken und entsprechende Entscheidungen rechtzeitig zu treffen. Dies dient nicht nur der Erhaltung des Mandantenbetriebs, sondern auch der des Mandats.
3.2 Besondere Sorgfalt und gewissenhafte Berufsausübung
Besondere Sorgfalt muss der steuerliche Berater bei Mandantenbetrieben, die als Kapitalgesellschaft oder Kapitalgesellschaft & Co. geführt werden, walten lassen, weil als Insolvenzgrund die Überschuldung im Sinne des § 19 InsO nicht ohne weiteres aus den Buchführungsdaten erkennbar ist. Um die Überschuldung in insolvenzrechtlichem Sinne feststellen zu können, ist die Aufstellung einer Überschuldungsbilanz erforderlich, die zu jedem Stichtag erstellt werden kann. Da dies im Einzelfall eine umfassende Überprüfung des Vermögens und der Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfordert und dies ohne besonderen Auftrag vom Mandanten ggf. nicht honoriert wird, sind Indizien, die sich aus den Buchführungsdaten ergeben können, herauszufiltern. So kann der Verschuldungsgrad des Unternehmens anhand des zuletzt erstellten Jahresabschlusses unter Fortschreibung der Buchführungszahlen ein Indiz für eine Verschlechterung
liefern. Auch der Ausweis einer Unterbilanz unter Berücksichtung der Daten des letzten Jahresabschlusses kann ein Indiz für eine drohende Überschuldung sein.
Zu einer gewissenhaften Berufsausübung des steuerlichen Beraters ist es erforderlich, dass er nicht jede tatsächliche Angabe des Auftraggebers ungeprüft übernimmt, sondern er ist vielmehr zu einer eigenen Prüfung der Unterlagen genötigt, wenn sich ihm aufgrund seiner Kenntnisse von dem Geschäftsumfang des Mandanten oder aus Vergleichszahlen anderer Betriebe oder aufgrund von sonstigen offensichtlichen Anhaltspunkten Zweifel ergeben oder ergeben könnten, dass die ihm vorgelegten Unterlagen unrichtig sind. Vorsätzliche Pflichtverletzungen, z. B. um im Interesse des Mandanten eine günstigere Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen, verstoßen auf jeden Fall gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung. Liegen Indizien für eine Krise des Mandantenunternehmens vor, sollte der steuerliche Berater seinen Mandanten unter Hinweis auf diese Indizien auffordern, die Überschuldungsbilanz aufzustellen, die im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO Aufschluss darüber geben kann, ob eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt. Ergibt die Überschuldungsbilanz eine Überschuldung, so ist unter Erstellung einer Fortbestehensprognose mit einem sorgfältig dokumentierten Finanz- und Ertragsplan festzustellen, ob die in der Überschuldungsbilanz angesetzten Vermögenswerte mit Going-concern- oder im Negativfall mit Zerschlagungswerten anzusetzen sind.
3.3 Hinweise auf Insolvenztatbestände
Die Insolvenztatbestände der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) können i.d.R. bei der Erstellung der Mandantenbuchführung nicht ohne weiteres ermittelt werden, weil bereits durch zeitlichen Abstand zum Buchführungsstoff die Liquiditätsentwicklung des Mandantenunternehmens bis zum Bearbeitungstag nicht nachvollzogen werden kann. Allerdings können Indizien wie Zahlungsstockungen, Zahlungseinstellungen oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Gläubiger des Mandanten Indizien für die Insolvenztatbestände sein und Beratungsbedarf im bereits beschriebenen Umfang bedeuten. Auch hier ist der Hinweis auf einen ggf. eingetretenen Insolvenztatbestand im Sinne einer gewissenhaften Beratung und zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen (oder gar des Vorwurfs deliktisch zu ahndender Beihilfe zur Insolvenzverschleppung) erforderlich.
4. Erstellung des Jahresabschlusses
4.1 Grundlagen
Die Erstellung von Jahresabschlüssen für mittelständische Unternehmen nimmt für steuerliche Berater einen großen Teil ihrer Tätigkeit, aber auch ihres Honoraraufkommens ein. Einen umfassenden Beratungsaufwand erfordern die Erstellungen von Jahresabschlüssen für Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co, weil bei Familienunternehmen oft die steuerliche Gestaltung im Vordergrund steht. Umfangreiche Steuerrechtsprechung insbesondere zur Geschäftsführervergütung, zur Gestaltung von Pensionszusagen für Gesellschafter-Geschäftsführer und zu sonstigen Leistungen gegenüber Gesellschaftern (Mieten, Darlehenszinsen usw.) stehen bei der Beratung im Vordergrund. Im Mittelstand handelt es sich bei diesem Mandantenkreis i. d. R. um Familiengesellschaften mit einem relativ kleinen Gesellschafterkreis, so dass in die Beratung nicht nur die Belange der Gesellschaften selbst, sondern auch die der Gesellschafter einbezogen werden müssen. Bei diesen Strukturen steht der steuerliche Berater bei der Erstellung des Jahresabschlusses oft vor dem Dilemma, dass einerseits ein möglichst steuerlich günstiges Ergebnis (niedriger Ertrag) und im Interesse der Gesellschafter ein möglichst hohes Ergebnis (zur Rechtfertigung entsprechender Vergütungen oder Ausschüttungen) ausgewiesen werden soll.
In dieser Situation muss sich der steuerliche Berater im Krisenfall gegenüber den Vorstellungen der Gesellschafter oft durchsetzen, um die zutreffenden Ansätze und Bewertungen nach Handelsrecht auszuweisen. Die sich bei hoher Verschuldung und ggf. ausgewiesenen Jahresfehlbeträgen ergebenden Konsequenzen bei Gläubigern, insbesondere Kreditinstituten, sind dann oft nicht vermeidbar. Stellt der StB im Rahmen der Jahresabschlusserstellung fest, dass Indizien vorliegen, die eine Überschuldung des Unternehmens vermuten lassen, wie z. B. Unterbilanz oder hoher Verschuldungsgrad, ist er im Rahmen seiner gewissenhaften Arbeit gehalten, Geschäftsführer und ggf. Gesellschafter auf die Gefahr der Überschuldung hinzuweisen. Eine Überschuldung kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn ein Ansatz der Bilanzpositionen unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere nach dem Prinzip der Verwertbarkeit der Vermögensgegenstände i. S. des § 19 Abs. 2 InsO erfolgt.
Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist die Überschuldung kein Insolvenztatbestand, so dass für diesen Mandantenkreis bei der Jahresabschlusserstellung eine Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 17 InsO oder eine drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 InsO bereits wegen des zeitlichen Abstands zum Bilanzstichtag nicht festgestellt werden kann. Diese Insolvenztatbestände können durch den StB nur bei kurzfristiger Überprüfung der Liquidität konstatiert werden, wozu es i. d. R. eines entsprechenden Auftrags des Mandanten bedarf.
Je nach Auftrag durch das Mandantenunternehmen kann die StBHaftung bei Erstellung oder Prüfung des Jahresabschlusses unterschiedlich hoch und gegenüber dem Auftraggeber oder auch Dritten eintreten, wenn der Jahresabschluss ein unzutreffendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ausweist. Dies kann nicht nur im Insolvenzfall eintreten; Berufsangehörige haben je nach Bescheinigung oder Bestätigungsvermerk entsprechende Überprüfungen der Richtigkeit und der Vollständigkeit der Bilanzansätze oder erforderliche Prüfungen vorzunehmen.
Nach der Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen durch StB vom 22./23.10.2001 und der Verlautbarung des Hauptfachausschusses des IDW HFA 4/1996 „Grundsätze für die Erstellung von Jahresabschlüssen durch Wirtschaftsprüfer“ sind bei der Erstellung von Jahresabschlüssen drei Grundfälle zu unterscheiden. Es handelt sich um
- die Jahresabschlusserstellung ohne Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit,
- die Jahresabschlusserstellung mit Plausibilitätsbeurteilung sowie um
- die Jahresabschlusserstellung mit umfassender Prüfung.
4.2 Jahresabschluss ohne Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit
Bei dem Grundfall 1 ist in der Bescheinigung des Berufsangehörigen zu vermerken, dass Beurteilungen der Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen und der Angaben des Unternehmens nicht Gegenstand des Auftrags waren. Bei diesem Grundfall 1 der Jahresabschlusserstellung entsteht nur ein relativ geringes Haftungsrisiko, weil aus der Bescheinigung hervorgeht, dass die Ordnungsmäßigkeit der Bilanzansätze auch hinsichtlich der Bewertung ohne Überprüfung der vom Auftraggeber übernommenen Angaben und Unterlagen vorgenommen wurde. Dies schließt jedoch nicht aus, dass offensichtliche, für den steuerlichen Berater als Sachkundigen ohne besondere Überprüfung erkennbare Zweifel an der Richtigkeit einzelner Bilanzansätze zumindest Rückfragen an Mandanten erfordern. Diese sollten, soweit sie nicht zu Änderungen der Bilanzansätze führen, vom StB dokumentiert werden, damit er sich im Zweifelsfall entlasten kann. Hierzu zählen u. a.
- Zweifel an der Richtigkeit des Vorratsvermögens, z. B. gegenüber Vorjahresansätzen oder infolge abweichender Relation zwischen Umsatz und Waren- bzw. Materialeinsatz,
- unübliche oder auffällig abweichende Relation der teilfertigen Leistungen zu den Kundenanzahlungen,
- nicht ausreichende Dotierung der Rückstellungen oder
- nicht erklärbare Abweichungen der Verbindlichkeiten gegenüber dem Vorjahr.
Auch Branchenvergleiche können bei erheblich abweichend Daten als Indiz für unzutreffende Ansätze von Bilanzdaten herangezogen werden. Diese Überprüfungen sind nur erforderlich, wenn dem StB Zweifel an der Richtigkeit der Daten aufkommen bzw. aufkommen müssen. Nicht nur die gewissenhafte Bearbeitung erfordert dies, sondern auch die Gefahr, dass die Verletzung von Gläubigerinteressen zu Schadensersatzforderungen führen kann.
Obwohl diese Form der Bescheinigung des steuerlichen Beraters eine Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der vorgelegten Unterlagen (insbesondere des Inventars) nicht erfordert, können aber bei offensichtlich erkennbaren Zweifeln an der Richtigkeit der Ansätze (insbesondere der Rückstellungen und Verbindlichkeiten) Haftungstatbestände ausgelöst werden. Auch die Hinweispflicht, dass ggf. eine Überschuldung der betreuten Kapitalgesellschaft oder Kapitalgesellschaft & Co. vorliegen könnte, gehört zu den Pflichten des StB. Die Haftung gegenüber Dritten (z. B. Kreditinstituten) kann auch dadurch entstehen, dass der steuerliche Berater bei Verhandlungen mit den Kreditinstituten des Mandanten mitgewirkt hat und die Kreditvergabe von dem zu erstellenden Jahresabschluss und dem darin ausgewiesenen Ergebnis abhing.
Das gilt unabhängig davon, ob dies vom Kreditinstitut mitgeteilt wurde; es kann zu einer Dritthaftung führen, wenn es dem StB bewusst war, dass eine Verbindung zwischen dem erstellten Jahresabschluss und der Kreditvergabe besteht. Folglich kann bei einer späteren Insolvenz des Mandantenunternehmens das Kreditinstitut den Ersteller des Jahresabschlusses, also den steuerlichen Berater, direkt in Anspruch nehmen.
Eine Einbeziehung Dritter ist grundsätzlich bei jedem Vertrag möglich (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – Analogie zu § 328 Abs. 2 BGB), wenn schlüssigem Verhalten der Vertragsparteien, erst recht bei ausdrücklichen Erklärungen, ein entsprechender Wille zu entnehmen ist und die zu schützende Personengruppe objektiv abgegrenzt werden kann. Die Rechtsprechung hat als besondere Art der Drittberechtigung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herausgebildet. Hierbei steht der Anspruch auf die Hauptleistung allein dem Gläubiger zu, der Dritte ist jedoch in der Weise in die vertragliche Sorgfalts- und Obhutspflicht einbezogen, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. So können auch andere Dritte (z. B. bei Unternehmensverkäufen, Kreditverhandlungen mit Lieferanten usw.) Schadensersatzansprüche direkt gegen den steuerlichen Berater geltend machen, wenn er in die Vertragsbeziehungen und deren Erörterungen zwischen Mandantenunternehmen und Dritten einbezogen war.
Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Haftungstatbestände i.d.R. große Volumina einnehmen, wobei – wenn nicht Vorsatz vorliegt – die Berufsschadenshaftpflichtversicherung des steuerlichen Beraters zwar eintritt, jedoch die Mindesthaftungssumme leicht überschritten wird. Daher sollte der StB die Höhe seiner abgeschlossenen Berufsschadenshaftpflichtversicherungssumme solchen Risikogrößen anpassen. Weiterhin bedeutet dies, dass bei der Jahresabschlusserstellung, auch wenn die Ordnungsmäßigkeit nicht bescheinigt wird, bei insolvenzgefährdeten Mandaten besondere Sorgfalt für die Bearbeitung der Aufträge angewendet werden sollte. Hierzu dient die Installierung eines Qualitätssicherungssystems, weil nicht immer vorhersehbar ist, wann und wie schnell ein Mandantenunternehmen insolvenzgefährdet wird. Hierzu gehört z. B. auch die Absicherung dahingehend, dass sich der StB bei Erstellung des Jahresabschlusses eine Vollständigkeitserklärung des Mandanten geben lässt, um sicherzustellen, dass ihm alle Informationen und Unterlagen, die zur Jahresabschlusserstellung erforderlich waren, vorgelegt wurden.
4.3 Jahresabschlusserstellung mit Plausibilitätsbeurteilung
Die Erstellung von Jahresabschlüssen wird seit einigen Jahren im wesentlichen durch die Auswirkungen der Grundsätze des Baseler Bankenkonsortiums (Basel II) beeinflusst, weil Kreditinstitute bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Kreditnehmern bei Unternehmen i. d. R. eine Bescheinigung des Jahresabschlusserstellers fordern, die die Vollständigkeit und Richtigkeit des Jahresabschlusses bestätigt. Das erfordert, dass entsprechend die Vorgaben der Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer und des IDW für Wirtschafsprüfer zu beachten sind. Mit dieser Bescheinigung entsteht für den steuerlichen Berater eine erhöhte Haftung, weil er hierin bescheinigt, dass er die Richtigkeit und Vollständigkeit im Rahmen von Plausibilitätsbeurteilungen des Inventars durchgeführt hat.
Das bedeutet insbesondere bei insolvenzgefährdeten Unternehmen, dass die Haftungsgefahr nicht nur gegenüber dem Auftraggeber, sondern auch gegenüber Dritten als sehr hoch anzusiedeln ist. Deshalb ist in den Verlautbarungen der berufsständischen Organisationen definiert, welche Mindesterfordernisse bei der Jahresabschlusserstellung zu beachten sind. Diese Erfordernisse müssen ausgeweitet werden, soweit Zweifel an der Richtigkeit der Bilanzansätze weiterhin bestehen. Das kann im Extremfall dazu führen, dass der StB gezwungen ist, für Einzelbilanzpositionen umfangreiche Prüfungen durchzuführen (z. B. bei der Bewertung der teilfertigen Leistungen, bei dem Ansatz von Rückstellungen usw.).
Bei dieser Form des Auftrags zur Erstellung des Jahresabschlusses können bei späterer Insolvenz des Mandantenunternehmens insbesondere bei Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaft & Co. im Falle nicht sorgfältiger Überprüfung der bilanziellen Wertansätze des Mandanten für den steuerlichen Berater erhebliche Drittschuldneransprüche an Schadensersatz entstehen. Insbesondere ist davon auszugehen, dass eine Dritthaftung gegenüber den Kreditinstituten des Mandantenunternehmens vorliegt, weil der steuerliche Berater weiß, dass der Auftrag zur Erstellung des Jahresabschlusses mit Plausibilitätsbeurteilung im Interesse der Kreditinstitute des Mandanten erteilt wurde. Hierzu ist nicht erforderlich, dass entsprechende Kontakte zwischen diesen Kreditinstituten und dem StB bestanden, sondern allein die Anforderung der entsprechenden Bescheinigung durch die Kreditinstitute lässt ein schlüssiges Handeln des StB vermuten, so dass stillschweigend ein Auskunftsvertrag zwischen dem StB und dem Kreditinstitut entsteht und im Falle einer fehlerhaften Jahresabschlusserstellung und späteren Insolvenz des Unternehmens Dritthaftungsansprüche geltend gemacht werden können .
Bei dieser Form der Jahresabschlusserstellung kann der steuerliche Berater den Umfang und die Gewissenhaftigkeit seiner Arbeiten dadurch dokumentieren, dass er einen Erstellungsbericht fertigt, aus dem seine Ermittlungs- und Überprüfungstätigkeiten hervorgehen. Für eine ordnungsgemäße und gewissenhafte Jahresabschlusserstellung sind derartige Hilfsmittel unerlässlich, um eventuell in der Zukunft anstehende Schadensersatzforderungen abzuwehren. Darüber hinaus können im Erstellungsbericht Mängel oder nicht nachprüfbare Bilanzansätze dargestellt werden, bei schwerwiegenden Mängeln sollte die Bescheinigung eingeschränkt oder versagt werden. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass im Erstellungsbericht der Verbrauch des Eigenkapitals sowie Tatsachen, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können, i.S. des § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB darzulegen sind.
4.4 Jahresabschlusserstellung mit umfassender Prüfung
Abweichend von der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer können Kreditinstitute im Rahmen der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer gewerblichen Kunden die umfassende Prüfung der Bilanzansätze im Rahmen der Jahresabschlusserstellung fordern. Bei einem solchen Auftrag an den StB ist eine Jahresabschlusserstellung unter Beachtung der Vorschriften, wie sie bei gesetzlichen Jahresabschlussprüfungen durch das IDW bestehen, erforderlich.
Bei diesem Auftrag bescheinigt der steuerliche Berater die formelle und materielle Richtigkeit des Jahresabschlusses. Um den Umfang seiner Tätigkeiten, seiner Feststellungen und der für Dritte sinnvollen und erforderlichen Angaben über das Mandantenunternehmen korrekt darstellen zu können, sollte ein Erstellungsbericht gefertigt werden, der der Form und dem Umfang nach einem Bericht über eine gesetzliche Prüfung entsprechen sollte. Zum einen kann der steuerliche Berater hierin seine Kompetenz, aber auch den Umfang und die Grenzen seiner Prüfungstätigkeit darstellen. Soweit sich Prüfungshemmnisse oder ungeklärte Sachverhalte ergeben, muss er dies in dem Bericht, ggf. auch in der Bescheinigung zum Ausdruck bringen oder die Bescheinigung versagen, um sich vor Schadensersatzansprüchen Dritter zu schützen.
Auch für diese Form der Jahresabschlusserstellung gelten die Ausführungen unter den Abschnitten 4.2 und 4.3 hinsichtlich des Haftungsumfangs. Auch hier ist die Dritthaftung gegenüber Kreditinstituten dem Auftrag immanent, es sei denn, dass nicht die Kreditinstitute des Mandanten, sondern der Mandant selbst aus anderen Gründen diese Form der Jahresabschlusserstellung veranlasst hat.
5. Umfang der Haftungsgefahren
Die Ausführungen haben gezeigt, dass schon im Rahmen der „normalen“ Erfüllung der Aufgabenbereiche Buchführung und Jahresabschluss dem steuerlichen Berater umfangreiche Haftungsgefahren drohen. Diese sind – wie im Rahmen eines folgenden Beitrags verdeutlicht werden wird – in Krisensituationen nochmals erheblich größer und beinhalten auch strafrechtliche Konsequenzen. Es wird aufzuzeigen sein, wie insbesondere das Beratungsfeld der Überschuldungsprüfung davor zu schützen ist, zum unkalkulierbaren Minenfeld der Beraterhaftung zu entgleiten.