Sanierungsmaßnahmen und die steuerlichen Folgen bei KMU
Teil I: Forderungsverzichte, Sanierungsgewinne und spezifische kapitalorientierte Instrumente bei Kapitalgesellschaften
Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen
Sanierungsentscheidungen haben i. d. R. steuerliche Auswirkungen auf die sanierte Gesellschaft selbst und deren Gesellschafter. Diese Auswirkungen werden in den nachfolgenden Ausführungen entsprechend der heutigen Gesetzgebung und Rechtsprechung aufgezeigt - soweit möglich soll auf steuerlich günstige Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen werden. Ausdrücklich nicht behandelt werden betriebswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen. Der vorliegende Beitrag enthält bezüglich der Kapitalgesellschaften lediglich Kapitalmaßnahmen und soll im nächsten Heft mit sonstigen Sanierungsinstrumenten fortgesetzt werden.
1. Einführung: Begriffliche Abgrenzungen
Nach der Definition des Statistischen Bundesamts sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nach Umsatz- und Beschäftigungsgrößenklassen zu definieren. Hierunter fallen Kleinstunternehmen (Beschäftigte bis 9; Jahresumsatz bis 2 Mio. €), kleine Unternehmen (Beschäftigte bis 49; Jahresumsatz bis 10 Mio. €) und mittlere Unternehmen (Beschäftigte bis 249; Jahresumsatz bis 50 Mio. €).
Diese Definition entspricht auch derjenigen der EU-Kommission. Deren Hauptziel besteht insoweit darin, dass von den Förderprogrammen ausschließlich solche Unternehmen profitieren, bei denen es sich tatsächlich um KMU handelt. Die handelsrechtliche Definition gem. § 267 HGB kennt nur kleine, mittlere und große Unternehmen unter anderen Abgrenzungskriterien und ist u. a. für die Prüfung wie auch für die Offenlegung von Jahresabschlüssen von Bedeutung.
Für die nachfolgenden Darstellungen sind als KMU gemäß der Definition der EU-Kommission nur solche anzusehen, die eigenständig sind, d. h. sie sind entweder völlig unabhängig oder es bestehen Partnerschaften mit anderen Unternehmen mit einer oder mehreren Minderheitsbeteiligungen (von jeweils unter 25 %). Für diesen Beitrag stehen insbesondere Unternehmen im Vordergrund, die von natürlichen Personen als Gesellschafter gehalten und nicht als verbundenes Unternehmen bei einem anderen Unternehmen geführt werden.
Sanierungsmaßnahmen erfolgen i. d. R bei Gesellschaften und Unternehmen, die sich in der Krise befinden. Unter dem betriebswirtschaftlichen Begriff der Krise ist derjenige Zustand eines schuldnerischen Unternehmens zu verstehen, der seine Lebensfähigkeit in Frage stellt, die weiterhin eine Existenzgefährdung des Unternehmens bedeutet. In Rechtswissenschaft und Rechtsprechung wird der Begriff der Krise ebenso häufig verwandt wie in der Betriebswirtschaftslehre. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung (1) „Krise“ als Vorstadium der Insolvenz angesehen. Bereits in früherer Rechtsprechung hat der BGH die mangelnde Kreditwürdigkeit des Unternehmens zu den marktüblichen Bedingungen als Kriterium für die Feststellung einer Krise des Unternehmens definiert.
In den nachfolgenden Ausführungen werden die vorgenannten Begriffsabgrenzungen zugrunde gelegt.
2. Sanierungsmaßnahmen durch Forderungsverzicht
2.1 Vorbemerkung
Das in der Krise befindliche Unternehmen hat unter der Voraussetzung, dass eine Überlebensfähigkeit des Unternehmens nach Durchführung von Sanierungsmaßnahmen tatsächlich besteht, durchaus Chancen, Gläubiger davon zu überzeugen, dass der Verzicht auf Forderungen die Lebensfähigkeit des Unternehmens gewährleisten kann. Hierzu ist die Erfüllung einer Vielzahl von Bedingungen erforderlich, wie
• Erhaltung von Arbeitsplätzen,
• Überlebensfähigkeit des sanierten Unternehmens,
• Gewährleistung von Zahlungsfähigkeit für zukünftige Lieferungen und Leistungen und
• Bedienung der Zins- und Tilgungsleistungen für verbleibende Kredite.
Der Forderungsverzicht von Gläubigern einer Gesellschaft dient i. d. R. sowohl der Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit als auch der Überschuldung bei haftungsbegrenzten Unternehmen (GmbH und GmbH & Co. KG usw.). Dieser erfordert einen zweiseitigen Erlassvertrag gem. § 397 Abs. 1 BGB, in dem die Gläubiger erklären, dass das zu sanierende Unternehmen seine Verbindlichkeiten gegenüber dem jeweiligen Gläubiger ganz oder teilweise nicht mehr begleichen muss.
2.2 Steuerliche Würdigung
Ein derartiger Forderungsverzicht führt sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich unter Abzug von durch den Forderungsverzicht entstandenen Kosten (z. B. Rechtsberatungskosten, Notariatskosten, Gerichtskosten usw.) zu einem Sanierungsgewinn, der in dem Wirtschaftsjahr der Durchführung eine entsprechende Erhöhung des Betriebsergebnisses bedeutet. Eine derartige Sanierungsmaßnahme kann sowohl mit einzelnen Gläubigern als auch mit der Gesamtheit der Gläubiger vereinbart werden, wobei auch die öffentliche Hand in Form des Steuergläubigers einbezogen werden kann.
Die Praxis zeigt, dass Steuergläubiger - insbesondere die Finanzverwaltung - nur dann einem Forderungsverzicht sowohl hinsichtlich der Ertragsteuern des Unternehmens oder der Gesellschaft, als auch bei Personengesellschaften hinsichtlich der Gesellschafter zustimmen, wenn nicht unerhebliche andere Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten.
Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 1997 war gem. § 3 Nr. 66 EStG a. F. eine Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne gesetzlich geregelt. Diese Vorschrift wurde vom Gesetzgeber gestrichen, so dass seit dem Veranlagungszeitraum 1998 eine entsprechende gesetzliche Regelung über die Behandlung von Sanierungsgewinnen nicht besteht. Die Finanzverwaltung hat mit dem sog. Sanierungserlass (2) eine allgemeinverbindliche Verwaltungsregelung getroffen, bei der unter bestimmten Voraussetzungen und aufgrund von sachlicher Billigkeit die Ertragsteuer auf einen Sanierungsgewinn mit dem Ziel des späteren Erlasses gestundet werden kann.
Die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungserlasses wird teilweise von der Fachliteratur wie auch vom Finanzgericht Sachsen (3) zwar in Zweifel gezogen - die Finanzverwaltung wendet diesen Sanierungserlass jedoch an. Der Verwaltungserlass gilt dabei nur für Steuern, die die Finanzverwaltung erhebt, nicht für die Gewerbesteuer. In vielen Fällen wird von den Kommunen bei entsprechendem Antrag und Stundung sowie Erlass der Ertragsteuern durch die Finanzverwaltung Stundung und Erlass der Gewerbesteuer gewährt.
2.3 Sanierungsgewinn bei Kapitalgesellschaften
Ein Sanierungsgewinn durch Forderungsverzicht von Gläubigern einschließlich Steuergläubigern ist im Jahr der Durchführung der Sanierung in der Handels- und Steuerbilanz unter Abzug der Sanierungskosten ertragserhöhend zu berücksichtigen. Nach dem Sanierungserlass der Finanzverwaltung ist der Sanierungsgewinn wie folgt definiert: „Ein Sanierungsgewinn ist die Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden.“
In Anwendung des Sanierungserlasses wird der Sanierungsgewinn mit
• allen laufenden Verlusten,
• bestehenden Verlustvorträgen und
• dem Verlustrücktrag aus den Folgejahren
verrechnet. Soweit die Verrechnung dazu führt, dass noch Verlustverrechnungsvolumen innerhalb der Grenzen des § 10 d EStG verbleibt, kann dieses auch mit einem eventuell entstehenden laufenden Gewinn verrechnet werden. Ein Verlustrücktrag auf den laufenden Gewinn im Rahmen des § 10 d EStG ist nur dann noch möglich, wenn kein Sanierungsgewinn mehr verbleibt.
Kompliziert wird eine Berechnung, wenn die Mindestbesteuerung i. S. d. § 8 a KStG (Zinsschranke) zum Tragen kommt. Grundlagen entsprechender Berechnungen sind die Verlustvorträge oder erwirtschafteten Verluste gemäß den steuerlich festgesetzten Verlustverrechnungsbeträgen, die i. d. R. nicht den in der Handels- bzw. Steuerbilanz ausgewiesenen Verlusten und Verlustvorträgen entsprechen.
Der Sanierungserlass sieht hinsichtlich der anfallenden Steuern von Sanierungsgewinnen einen Antrag auf Stundung und nach Ablauf mehrerer Veranlagungszeiträume einen endgültigen Erlass durch die Finanzverwaltung im Rahmen billigen Ermessens vor. Das hat hinsichtlich des Ausweises von Verlusten und Verlustvorträgen erhebliche Konsequenzen, weil diese durch einen entsprechenden Erlassantrag mit vorübergehender Stundung in den nachfolgenden Jahresabschlüssen bis zum Vorliegen eines endgültigen Erlassbescheids der Finanzverwaltung unberücksichtigt bleiben müssen.
Folge kann sein, dass je nach steuerlich ermittelten Verlusten und Verlustvorträgen der Sanierungsgewinn entweder dazu führt, dass nur steuerlich festgestellte Verluste und Verlustvorträge verrechnet werden und damit eine Stundung von Ertragsteuern nicht erforderlich ist, oder – soweit der Sanierungsgewinn Verlust und Verlustvorträge übersteigt –Erlassantrag beim Steuergläubiger zu stellen ist. In der Handelsbilanz - und damit auch in der Steuerbilanz – können die Verluste und Verlustvorträge, soweit auch ein Verlustrücktrag aus dem Folgejahr zu berücksichtigen ist, in vollem Umfang in den Jahresabschlüssen ausgewiesen werden, wobei jedoch der Sanierungsgewinn mit Verlustvorträgen und laufenden Verlusten verrechnet werden kann und – soweit er diese übersteigt – als Gewinnvortrag auszuweisen ist. Erst nach Vorlage des Bescheids über den Erlass der Körperschaftsteuer darf im folgenden Jahresabschluss eine entsprechende Korrektur der Verlust- bzw. Gewinnvorträge vorgenommen werden.
Im hier geschilderten Fall wird lediglich dann die Stundung von Körperschaftsteuer in Frage kommen, wenn der Sanierungsgewinn einen laufenden Verlust und Verlustvorträge übersteigt. Im anderen Fall findet sowohl im Ausweis der Jahresabschlüsse als auch bei der Festsetzung der Verlustvorträge im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung nur eine Kürzung der Verlustvorträge statt.
Da die endgültige Entscheidung über den Erlass von Körperschaftsteuer erst mehrere Veranlagungszeiträume – und damit mehrere Kalenderjahre – später stattfindet, kann im Fall der Ablehnung des Erlassantrags eine nicht unerhebliche Steuernachzahlung folgen, die darüber hinaus in erheblichem Umfang eine Verzinsung i. S. d. § 233 a AO nach sich zieht. Hinsichtlich der Stundung und des Erlasses von Gewerbesteuer sollte die sanierte Gesellschaft auf jeden Fall einen entsprechenden Antrag bei den in Frage kommenden Kommunen oder, soweit in den Bundesländern auch die Finanzverwaltung für die Festsetzung und Einziehung der Gewerbesteuer zuständig ist, bei diesen Abteilungen stellen.
Bei einer steuerlich anzuerkennenden Sanierung durch Forderungsverzicht sind vielfach auch Forderungsverzichte durch GmbH-Gesellschafter insbesondere auf der GmbH zur Verfügung gestellte Darlehen inbegriffen. I. d. R. erkennt die Finanzverwaltung derartige gesellschafterbezogene Darlehensverzichte dann im Rahmen des Sanierungserlasses an, wenn der Darlehensverzicht eigenbetrieblich veranlasst wurde. Ein Darlehensverzicht eines Gesellschafters (z. B. Finanzplandarlehen), der gesellschaftsbezogen - also aus Gründen, die der Gesellschafterstellung des verzichtenden Gesellschafters folgen – begründet ist, wird nicht anerkannt. Im Rahmen des Erlasses von Steuern auf den Sanierungsgewinn sind derartige Darlehensverzichte nicht zu berücksichtigen.
2.4 Sanierungsgewinne bei der GmbH & Co. KG
Steuerlich anzuerkennende Sanierungsgewinne sind bei der GmbH & Co. KG i. d. R. nur für die KG zu berücksichtigen. Die steuerliche Auswirkung auf Ertragsteuern (Einkommensteuer der Kommanditisten) führt dazu, dass der Sanierungsgewinn mit Verlusten, die nach § 15 a EStG gem. § 10 d EStG noch nicht abgezogen werden konnten, verrechnet wird.
Der ermittelte Sanierungsgewinn ist entsprechend der steuerlichen Gewinnverteilungsabrede der Gesellschafter auf die Gesellschafter zu verteilen. Es ist erforderlich, den Sanierungsgewinn für jeden Kommanditisten und, soweit die Komplementärin am Vermögen und Ertrag der Kommanditgesellschaft beteiligt ist, auch für diese individuell zu ermitteln. Soweit der Sanierungsgewinn für den einzelnen Gesellschafter anteilig Verlustvorträge i. S. d. § 15 a EStG überschreitet, sind entsprechende Anträge für die Gesellschafter i. S. d. Sanierungserlasses zu stellen.
2.5 Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit Haftung natürlicher Personen
Für steuerlich anzuerkennende Sanierungsgewinne für Unternehmen, bei denen natürliche Personen als Haftende auftreten, sind Anträge entsprechend zu stellen und im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen auf den Sanierungsgewinn entfallende Einkommensteuerbeträge im Rahmen des Erlass- und Stundungsantrags i. S. d. Sanierungserlasses zu richten. Unbefriedigend ist, dass bei natürlichen Personen im Rahmen der Einkommensteuer in den Jahren, in denen Einkommensteuern zu stunden sind und der anzurechnende Sanierungsgewinn das zu versteuernde Einkommen überschreitet, dem Steuerpflichtigen Grundfreibetrag und Aufwendungen für Vorsorge wie auch Verluste aus anderen Einkommensarten verlorengehen.
3. Sanierung von Kapitalgesellschaften durch Kapitalmaßnahmen
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen KMU als Kapitalgesellschaften, bei denen natürliche Personen oder Personengesellschaften als Anteilseigner (siehe unter 1.) auftreten, die keine Publikumsgesellschaften mit einer Vielzahl von Anteilseignern sind.
Im Falle der Krise der Gesellschaft ist die Erhöhung des Haftkapitals eine angezeigte und durchaus gängige Maßnahme zur Erhaltung des Unternehmens (z. B. § 64 GmbHG; § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG). Die Erhöhung des Haftkapitals kann
• durch Zuführung neuen Kapitals der vorhandenen Anteilseigner, einzelner oder aller Anteilseigner,
• durch Aufnahme neuer Anteilseigner oder
• auch im Wege der Verschmelzung mit anderen Gesellschaften durch Aufnahme erfolgen.
3.1 Steuerliche Würdigung bei der Kapitalgesellschaft
Grundsätzlich lösen Kapitalerhöhungsmaßnahmen keine ertragsteuerlichen Auswirkungen bei der haftungskapitalerhöhten Kapitalgesellschaft aus. Bei der Einbringung von Grundstücken und entsprechend bei der Verschmelzung im Wege der Aufnahme i. S. d. § 2 Nr. 1 UmwG wird Grunderwerbsteuer (GrESt) ausgelöst. Die so erfolgte Erhöhung des Haftkapitals dient zur Vermeidung der Insolvenzpflicht der Kapitalgesellschaft. Die bisher aufgelaufenen Verluste, soweit sie steuerlich als Verlustvorträge vorhanden sind, können mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden. Eine Ausnahme bildet allerdings § 8 a KStG für solche Unternehmen, bei denen diese Vorschrift Anwendung findet.
3.2 Begrenzung des Verlustabzugs bei Kapitalgesellschaften
Abweichend von der allgemeinen Vorschrift der Einkommensermittlung gem. § 8 KStG für Kapitalgesellschaften hat der Gesetzgeber im UntStReformG 2008 vom 14.8.2007 (4) § 8 c KStG als Nachfolgevorschrift des bis 2007 geltenden § 8 Abs. 4 KStG erlassen, der gem. § 34 Abs. 7 b KStG erstmals für das Veranlagungsjahr 2008 zur Anwendung kommt.
Nach dieser Vorschrift sind Verlustabzugsbeschränkungen bei Körperschaften zu berücksichtigen, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (schädlicher Beteiligungserwerb). Die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) sind dann nicht mehr abziehbar. Sie sind in vollem Umfang nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar entsprechend mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt.
Als Erwerber im Sinne der Vorschrift gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen. Eine Kapitalerhöhung steht der Übertragung des gezeichneten Kapitals gleich, soweit sie zu einer Veränderung der Beteiligungsquoten am Kapital der Körperschaft führt.
Im Jahressteuergesetz vom 8.12.2010 (5) wurde eine Regelung zum Verlusterhalt in Höhe der vorhandenen stillen Reserven der Verlustkörperschaft hinsichtlich des zu berücksichtigenden Betriebsvermögens angepasst und eine Sonderregelung der Bestimmung der stillen Reserven in den Fällen des Vorhandenseins eines negativen Eigenkapitals bei der Verlustkörperschaft neu in Abs. 1 S. 8 eingefügt. In § 8 c Abs. 1 S. 8 KStG wird der Begriff der stillen Reserve definiert. Die Anwendung dieser Vorschrift gilt ab Veranlagungszeitraum 2010.
Weiterhin wurde im Wachstumsbeschleunigungsgesetz § 8 c Abs. 1 a KStG formuliert, der im Falle einer Sanierung des Unternehmens den Verlusterhalt reglementiert und für Beteiligungserwerbe nach dem 31.12.2007 anzuwenden ist. Die EU-Kommission hat jedoch bereits im Jahre 2010 ein förmliches Prüfverfahren darüber eingeleitet, ob Abs. 1 a zu § 8 c KStG eine unzulässige Beihilfe darstellt, und stellt fest, dass mit Ausnahme von Kleinbeihilfen die vorgenannte Sanierungsklausel als Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen und damit unzulässig ist. Die Anwendung der Sanierungsklausel des Abs. 1 a wird von der Finanzverwaltung bereits seit dem Einleiten des Prüfverfahrens durch die EU-Kommission ausgesetzt. (6)
Die Vorschrift des § 8 c KStG stellt eine Durchbrechung des zivilrechtlichen Trennungsprinzips und der steuerlichen Subjektfähigkeit einer Körperschaft zwischen der Körperschaft und ihren Gesellschaftern dar. Dies resultiert daraus, dass nicht rechtliche oder wirtschaftliche Vorgänge innerhalb der Körperschaft, sondern Veränderungen unter den Gesellschaftsanteilen der Gesellschafter auf der Anteilseigner-Ebene für die Besteuerung der Körperschaft Bedeutung erlangen. Hierbei handelt es sich um echte Drittwirkungen bzw. fremdbestimmte Steuerwirkungen, die die Besteuerung der Körperschaft beeinflussen. (7) Die steuerliche Wirkung dieser Vorschrift kann die Sanierung von Körperschaften von KMU erheblich behindern, wenn nicht im Einzelfall sogar dazu führen, dass durch den Verlust von steuerlichen relevanten Verlustvorträgen Sanierungen unmöglich werden oder scheitern.
Die zeitliche Voraussetzung bei einem schädlichen Beteiligungserwerb „innerhalb von fünf Jahren“ i. S. d. § 8 Abs. 1 KStG ist nach Zeitjahren und nicht nach Wirtschaftsjahren oder Veranlagungszeiträumen zu rechnen. Der Beginn des Zeitraums ist auf den Tag des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums des Gesellschaftsanteils und nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 187 ff. BGB zu berechnen.
Die Berechnung erfolgt in der Weise, dass ein schädlicher Beteiligungserwerb im Zeitpunkt der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einen neuen Erwerber oder bereits vorhandenen Gesellschafter vorliegt, wenn vom Übergang des wirtschaftlichen Eigentums der Anteilsübertragung an innerhalb der letzten fünf Jahre Anteilsübertragungen mit Quotenveränderungen der Beteiligungen stattgefunden haben. Dieser Vorschrift liegt nach dem Willen des Gesetzgebers zugrunde, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners oder Anteilseigner-Kreises ändert. (8)
Ein schädlicher Beteiligungserwerb vollzieht sich bei den Anteilen an der Verlustkörperschaft unmittelbar bei direkter Übertragung von Anteilen, während ein mittelbarer Beteiligungserwerb dann stattfindet, wenn dieser sich auf einer höher gelagerten Beteiligungsstufe vollzieht. Es ist dann unbeachtlich, ob dieser im In- oder Ausland oder über Körperschaften oder Personengesellschaften erfolgt. (9)
Als Bezugsgröße dürfte nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich das gezeichnete Kapital oder die Stimmrechte an einer Körperschaft zu verstehen sein. Da an den jeweiligen Körperschaften - bei der AG nach § 12 Abs. 1 S. 1 AktG und bei der GmbH nach § 47 Abs. 2 GmbHG – das Stimmrecht an den jeweiligen Geschäftsanteil gebunden und somit nicht gesondert übertragbar ist, können nur Fälle der stimmrechtslosen Anteile zu einer Abweichung des gezeichneten Kapitals führen. Die Bezugsgröße wird durch eigene Anteile zum Zeitpunkt des Übertragungsvorgangs gemindert.
Die sog. Person des Erwerbs kann jede natürliche Person, juristische Person oder Personengesellschaft sein. Nahestehende Personen i. S. d. § 8 c Abs. 1 S. 1 KStG sind im Anwendungsbereich von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG durch familiäre, aber auch sonstige persönliche Verhältnisse gesellschaftlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art definiert. (10) Allerdings sind mit dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG Bestimmungen unvereinbar, die die Ehe schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen können. (11) Nach dieser Rechtsprechung liegen Nahestehende nach § 8 c Abs. 1 KStG ausschließlich bei gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit vor. (12)
Die Form des schädlichen Beteiligungserwerbs beinhaltet jede rechtsgeschäftliche Übertragung bestehender Anteile unter Lebenden, d. h. sowohl die entgeltliche als auch die unentgeltliche Übertragung im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge. (13) Danach gehören Umwandlungsmaßnahmen i. S. d. UmwG dazu, während unentgeltliche Übertragungen im Wege der Erbfolge und unentgeltliche Erbauseinandersetzungen sowie der vorweggenommenen Erbfolge nicht als Übertragungen i. S. d. § 8 c Abs. 1 S. 1 KStG gelten. (14)
Einen vergleichbaren Sachverhalt im Sinne der Vorschrift stellt die quotenverändernde Kapitalherabsetzung dar. (15) Ebenfalls als vergleichbarer Sachverhalt ist der Erwerb eigener Anteile der Verlustgesellschaft anzusehen. Der Stimmrechtsverzicht ist nach der Finanzverwaltung entsprechend dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 als Ersatztatbestand zu behandeln. Dies gilt auch für Stimmrechtsbindungen und Stimmrechtsvereinbarungen. Auch die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien nach § 141 Abs. 5 AktG, bei der Stimmrechte auf die betreffenden Aktien entstehen, ist als vergleichbarer Sachverhalt anzusehen, wenn sich eine entsprechende Veränderung der quotalen Beteiligung ergibt.
Als nicht vergleichbarer Sachverhalt stellt sich die Option zum Erwerb von Anteilen oder die Verpfändung von Anteilen dar. Ebenfalls nicht zu den vergleichbaren Sachverhalten gehört der Abschluss eines Beherrschungsvertrags.
Die wirtschaftliche Bedeutung des § 8 c KStG zeigt sich für neugegründete Kapitalgesellschaften und hier insbesondere für Startup-Unternehmen, die oft zu Beginn ihrer Tätigkeit einen erheblichen Kapitalbedarf haben und ihre Geschäftstätigkeit zunächst mit erheblichen Verlusten beginnen. Dies behindert den Einstieg kapitalkräftiger Gesellschafter, weil innerhalb der in der Vorschrift gesetzten Frist bei Überschreiten der quotalen Beteiligungsverhältnisse zwar zunächst Kapital der Gesellschaft zugeführt wird, der Verlust von Verlustvorträgen jedoch die Kapitalaufstockung zum Teil reduziert und die Sanierung wirtschaftlich in Frage stellt.
Bei einer Krise der Gesellschaft ist der in der Vorschrift vorgesehene Zeitraum von fünf Jahren für eine Sanierung der Gesellschaft durch Haftkapitalaufstockung ein besonderes Hindernis, weil die Sanierungsmaßnahmen in der Regel kurzfristig erfolgen müssen, um die Insolvenzantragspflicht nicht zu verletzen. Im Normalfall dürften Kapitalgeber durchaus zum Erwerb von Haftkapital bereit sein, wenn sie ausreichende Mitspracherechte – und damit Stimmrechte – im Unternehmen erhalten.
4. Zwischenfazit
Die Sanierungsmaßnahmen für in die Krise geratene Unternehmen und Gesellschaften sind vielfältig. Die sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Auswirkungen sind je nach Unternehmensform und Art der Sanierungsmaßnahme für das Unternehmen oder den Inhaber oder Beteiligten sehr unterschiedlich zu behandeln. Insbesondere bei Anteilsinhabern von Kapitalgesellschaften ergeben sich erhebliche, die Sanierungsmaßnahmen beeinträchtigende steuerliche Folgen, so vor allem im Rahmen des § 8 c KStG.
Im zweiten Teil sollen u. a. Sanierungsmaßnahmen im Rahmen von stillen Beteiligungen und Genussrechten behandelt werden.
1 BGH v. 20.5.2005 – II ZR 18/03, ZInsO 2005, S. 762; BGH v. 23.2.2004 – II ZR 207/01, BB 2004, 1240
2 BMF-Schreiben vom 27.3.2003, BStBl. I 2003 S. 240
3 FG Sachsen v. 14.3.2013 – 5 K 1113/12
4 BGBl. I 2007 S. 1912; BStBl. I 2007 S. 630
5 BGBl. I 2010 S. 1768; BStBl. I 2010 S. 1394
6 BMF v. 30.4.2010, BStBl. I 2010 S. 488
7 Vgl. Suchaneck, in:Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 c KStG Anm. 3
8 BTDrucks. 16/4841, 76
9 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008 S. 736, Tz. 11
10 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008 S. 736, Tz. 25
11 BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86, BVerfGE 81 S. 1
12 Vgl. Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. z. KStG, § 8 c KStG Anm. 26; ähnlich: Gosch/Roser, EStG/KStG, § 8 c Rn. 73
13 Vgl. Suchanek, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. z. KStG, § 8 c KStG Anm. 27
14 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008 S. 736, Tz. 4
15 BMF v. 4.7.2008, BStBl. I 2008 S. 736, Tz. 7