Unwägbarkeiten bei der Gebührenabrechnung im finanzgerichtlichen Rechtsstreit vermeiden
Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen
Die Führung eines Rechtsstreits vor dem FG ist für den Steuerberater kein Tagesgeschäft, jedoch in besonderen Fällen erforderlich und sinnvoll. Im Allgemeinen liegt diesem Rechtsstreit schon ein umfangreiches Vorverfahren zugrunde. Die Vergütung für diese qualifizierte und aufwendige Tätigkeit sollte daher sichergestellt sein. Die Vergütung ist zwar, da es für das Einspruchsverfahren wie auch für das Klageverfahren Wertgebühren gibt, vorab berechenbar. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, sollte jedoch immer eine Sondervereinbarung mit dem Mandanten von vornherein abgeschlossen werden.
Erläuterung anhand eines Beispiels
Nachfolgendes Beispiel soll darlegen, dass die Gebührenabrechnung – insbesondere wenn der Fiskus die Erstattung der Gebühren vorzunehmen hat – nicht unbedingt der vorherigen Kalkulation des Steuerberaters entspricht.
Sachverhalt des Beispiels
Ein Betriebsprüfungsverfahren über vier Kalenderjahre wird mit einer tatsächlichen Verständigung beendet. Die berichtigten Körperschaftsteuerbescheide werden mit Einspruch angefochten, weil in der tatsächlichen Verständigung eindeutige Rechenfehler durch den Betriebsprüfer enthalten sind, die korrigiert werden sollen. Diese Berichtigungen sollen die geschätzten verdeckten Gewinnausschüttungen kürzen, wobei sich durch Verlustvorträge und -rückträge Unterschiedsbeträge zwischen den festgesetzten Körperschaftsteuerbeträgen ergeben, sodass sich für alle vier Kalenderjahre ein Gegenstandswert von 13.188 EUR ergibt.
Einspruchsverfahren
Das Verfahren bezüglich des Einspruchs gegen die Steuerbescheide, die aufgrund der tatsächlichen Verständigung ergangen sind, wurde mit erheblicher Heftigkeit geführt. Das Finanzamt bestand darauf, die tatsächliche Verständigung so durchzuführen, wie sie von den Parteien unterzeichnet war, und wies aus diesem Grund jede Korrektur ab. Auch ein persönliches Gespräch mit Mandant, Betriebsprüfern, Vertretern der Rechtsbehelfsstelle und Sachgebietsleitern führte nicht zum Erfolg (siehe BMF-Schreiben vom 30.7.08, Tz. 6). Insgesamt war dies ein sehr arbeitsaufwendiges Verfahren, zumal eine einschlägige Rechtsprechung für den zu entscheidenden Fall nicht vorlag. Die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die vier Kalenderjahre wurden durch Einspruchsbescheid abgewiesen.
Finanzgerichtliches Verfahren
Auch im finanzgerichtlichen Verfahren blieb das beklagte Finanzamt zunächst auf seinem Standpunkt, dass das Ergebnis laut tatsächlicher Verständigung keiner Berichtigung zugänglich sei. Verständlicherweise wurde auch hier ein umfangreicher Schriftverkehr geführt. Bevor es jedoch zu einer mündlichen Verhandlung kam, hat das Finanzamt Berichtigungsbescheide für alle vier Kalenderjahre erlassen, sodass in etwa das gleiche Ergebnis erzielt wurde, wie im Rahmen des Einspruchsverfahrens und des Klageverfahrens von der Klägerin angestrebt.
Allerdings wurde in den Berichtigungsbescheiden nicht – wie beantragt – die verdeckte Gewinnausschüttung geändert, sondern es wurden pauschal Gewinnminderungen bei der Kürzung von nicht abzugsfähigen Ausgaben vorgenommen. Dies ergab für die einzelnen Kalenderjahre unterschiedliche Ergebnisse gegenüber dem Klageantrag, weil die vorgenommenen Änderungen des Finanzamts in gleichen pauschalen Beträgen für jedes Kalenderjahr vorgenommen wurden und sich in den einzelnen Kalenderjahren durch die vorhandenen bzw. sich ergebenden Verlust-Vor- und -Rückträge unterschiedliche steuerliche Auswirkungen ergaben.
Kostenentscheidung des FG
Aufgrund der vorgenannten Entwicklung wurde das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Kostenbeamte hat aufgrund der sich unterschiedlich darstellenden Auswirkungen der einzelnen Kalenderjahre gegenüber dem Klageantrag eine Kostenerstattung durch den Fiskus in Höhe von 11/14 anerkannt, obwohl vom Ergebnis her eine volle Erstattung angezeigt gewesen wäre.
Kostenermittlung
Wie bereits dargestellt, stellte der Kostenbeamte die tatsächlichen Auswirkungen auf die Körperschaftsteuer für das einzelne Kalenderjahr den im Klageantrag geltend gemachten Beträgen gegenüber. Dies erfolgte, obwohl es sich für alle vier Kalenderjahre um ein zusammengefasstes Klageverfahren handelte.
Hierbei ergab sich, dass als Bemessungsgrundlage für die Kosten nicht der angestrebte Gegenstandswert von 13.188 EUR, sondern lediglich 6.655 EUR zugrundegelegt wurden. Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung hatte keinen Erfolg.
Das FG führt in der Entscheidung über die Erinnerung aus, dass sich die Klägerin in der Klagebegründung ausdrücklich dagegen gewandt habe, dass die in einer tatsächlichen Verständigung niedergelegten verdeckten Gewinnausschüttungen nicht durch Höhe der Hinzuschätzungen gedeckt seien, sodass die verdeckten Gewinnausschüttungen zu mindern seien. Dies lässt nur die Auslegung zu, dass das Begehren der Erinnerungsführerin darauf gerichtet war, die Körperschaftsteuer für die einzelnen Jahre so weit herabzusetzen, wie sich die Steuerbeträge durch eine entsprechend geringere Berücksichtigung der VGA ergeben würden. Da das Finanzamt die Berichtigung der Körperschaftsteuer nicht aufgrund von Berichtigungen der VGA, sondern wegen anderer Berichtigungen im Ergebnis in gleicher Höhe geändert hat, sei der Klageantrag nicht genau beziffert gewesen. Allerdings ist festzustellen, dass in der Anlage zum Klageantrag eine genaue Berechnung der angestrebten Körperschaftsteuer für die einzelnen Kalenderjahre dargestellt wurde. Dies wird vom FG völlig ignoriert.
Sowohl bei der Kostenentscheidung als auch bei der Kostenermittlung hat der Kostenbeamte offenbar die einzelnen Kalenderjahre hinsichtlich Klageantrag und endgültiger Änderung verglichen. Unseres Erachtens ist dies bei einem zusammengefassten, für vier Kalenderjahre geführten Verfahren nicht zulässig, weil bei einer zusammenfassenden Gebührenbemessung nicht jedes Kalenderjahr, sondern die steuerliche Auswirkung insgesamt Gegenstandswert der Gebührenberechnung ist. Gegenstand der Gebührenbemessung ist die Veränderung der festgesetzten Steuern und nicht einzelne Sachverhalte der Einkommensermittlung.
Ermittlung der Gebühren
Im Einspruchsverfahren hat der Steuerberater die Geschäftsgebühr gem. § 40 Abs. 2 StBGebV mit 20/10 angesetzt. § 40 Abs. 2 StBGebV war anzuwenden, weil dem Steuerberater Gebühren nach § 28 StBGebV zustanden.
Vorverfahren
Die Höchstgebühr war angezeigt, weil ein umfangreicher Schriftverkehr im Rahmen des Vorverfahrens und eine persönliche Besprechung an Amtsstelle des zuständigen Finanzamts durchgeführt wurden. Da es schon eine Besonderheit ist, wenn durch den Einspruch eine tatsächliche Verständigung angefochten wird, handelt es sich hierbei um einen Fall von großer Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit und von hoher Bedeutung. Die hohe Bedeutung lag auch für die Mandantin vor, weil sich durch die Betriebsprüfung, und insbesondere durch das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung auch für die Zukunft nicht unerhebliche steuerliche Auswirkungen für die Mandantin ergaben.
Nach § 11 StBGebV bestimmt der Steuerberater die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der beruflichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit. Im hier geschilderten Fall lag ein sehr großer Umfang der Tätigkeit vor, weil nicht nur die Tätigkeit gegenüber dem zuständigen Finanzamt, sondern auch die Tätigkeit gegenüber der Mandantin, also z.B. mehrere Besprechungen mit den Geschäftsführern, zu berücksichtigen sind.
Das FG Köln hat mit Beschluss vom 25.6.09 (10 KO 610/09) rechtskräftig entschieden:
Beschluss des FG Köln
„Im Falle von Rahmengebühren bestimmt der Anwalt die Gebühr im Einzelfall grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse und auch des anwaltlichen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen.“
Im ablehnenden Bescheid aufgrund der Erinnerung führt das Niedersächsische FG (30.8.11, 6 KO 7/11) aus, dass sich der Sachverhalt entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin nicht als so schwierig oder umfangreich vom Normalfall abweichend darstellt, dass der Ansatz einer Geschäftsgebühr von mehr als 11,5/10 bis hin zu 20/10 einer vollen Gebühr angemessen wäre. Auf die Berechnungsgrundlagen, die das FG Köln festgestellt hat und die sich mit der Vorschrift des § 11 StBGebV decken, wird in keiner Weise eingegangen oder hingewiesen.
Hinweis: Aufgrund der Begründung des Niedersächsischen FG ist wohl kaum damit zu rechnen, dass je für einen Fall die zulässige Höchstgebühr von 20/10 im Vorverfahren angesetzt werden kann. Auf die Frage der ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens ist das FG ebenfalls nicht eingegangen.
Gerichtliches Verfahren
Nach § 45 StBGebV ist im gerichtlichen Verfahren die RVG, insbesondere § 13 RVG, Nr. 3200, 3201, 1008 VV RVG anzuwenden. Das FG führt dabei aus, dass nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands nach den Nr. 2300-2303 entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Es verweist in diesem Zusammenhang auf die Beschlüsse des FG Hessen vom 26.2.10 (11 KO 103/10; RVG-Report 2010, 308) und des FG Köln vom 30.7.09 (10 KO 1450/09; EFG 2009, 1075).
Die Begründung des Steuerberaters im Erinnerungsverfahren, dass die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des RVG ausdrücklich auf die Vergütung des Steuerberaters im gerichtlichen Verfahren beschränkt ist (§ 45 StBGebV) und die Vorschrift des § 40 StBGebV zum einen nicht das gerichtliche Verfahren betrifft und zum anderen im Rahmen der StBGebV in einem besonderen Abschnitt (Abschnitt 6) geregelt ist, wird im Erinnerungsbeschluss nicht berücksichtigt.
Das FG verweist in diesem Zusammenhang auf § 45 StBGebV und ist der Meinung, dass auch dann eine Anrechnung zu erfolgen hat, wenn die Geschäftsgebühr für das außergerichtliche Vorverfahren auf der Grundlage von § 40 StBGebV entstanden ist. Es führt aus, dass die Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts nach Nr. 2300-2303 VV RVG der Geschäftsgebühr eines Steuerberaters nach § 40 StBGebV entspricht und beide Berufsgruppen hinsichtlich der in finanzgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigenden Gebühren nach § 45 StBGebV gleich zu behandeln sind.
Auch diese Begründung ist angreifbar, weil eben gerade § 45 StBGebV nur die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens anspricht und betrifft. Der Verordnungsgeber hat in § 35 RVG dem im Rahmen der steuerberatenden Tätigkeit tätigen Rechtsanwalt vorgeschrieben, dass er §§ 23-39 StBGebV anzuwenden hat – also nicht § 40 StBGebV. Für den Rechtsanwalt gelten Nr. 2300-2303 VV RVG. Wenn dies der Verordnungsgeber ausdrücklich so unterschiedlich für die Berufsgruppen regelt, ist nicht nachvollziehbar, wie das Niedersächsische FG zu seiner Beurteilung kommt.
Ergebnis
Die angemessenen und notwendigen Gebühren für das Verfahren, das im Beispiel dargestellt wurde, wurden auf 1/3 der ursprünglichen Gebühren gestrichen, weil für das Vorverfahren lediglich die Mittelgebühr anerkannt wurde, obwohl Voraussetzungen zum Ansatz der Höchstgebühr gegeben waren und gegen die einzelnen Körperschaftsteuerbescheide Einspruch geführt wurde. Für die Gebührenbemessung wurde jedoch wie im finanzgerichtlichen Verfahren eine Zusammenfassung und Reduzierung des Bemessungsgegenstands vorgenommen. Desweiteren wurde, obwohl es sich um ein zusammengefasstes Verfahren für vier Kalenderjahre handelte, das tatsächliche Ergebnis nur insoweit als Bemessungsgrundlage anerkannt, als es mit dem Klageantrag übereinstimmte, also nur ca. zur Hälfte. Es wurde nicht gegenübergestellt, welche Kürzungen der Steuer beantragt worden waren, sondern, in welchem einzelnen Kalenderjahr welche Kürzungen beantragt worden sind. Die sich ergebenden Verschiebungen zwischen den Kalenderjahren wurden ignoriert.
Nach den Vorbemerkungen 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV RVG wurde darüber hinaus die Gebühr für das Vorverfahren mit dem 0,575-fachen der Geschäftsgebühr gegengerechnet und darüber hinaus nur 11/14 der Klägerin erstattet. Da es eine Beschwerdemöglichkeit gegen die Kostenentscheidung des zuständigen Senats des FG nicht gibt (§ 128 Abs. 4 FGO), muss das Ergebnis hingenommen werden, obwohl die ausführliche Darstellung des Tätigkeitsumfangs und der Tätigkeitsschwierigkeiten im Kostenbeschluss nicht gewürdigt wurden.