Wann und wie kann eine Zeitgebühr berechnet werden?
Teil 2
Gerald Schwamberger, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Göttingen
Steuerberater sind für die von ihnen erledigten steuerberatenden Tätigkeiten i. S. des § 33 StBerG nach § 64 StBerG verpflichtet, ihre Gebühren nach der StBVV abzurechnen. Ein kleiner Teil der Vorschriften ergibt eine Berechnung nach der Zeitgebühr, die der Höhe nach in § 13 StBVV bestimmt ist. Um hier alles richtig zu machen, sollten Sie genau wissen, wann und wie eine Zeitgebühr berechnet werden kann.
Zeitgebühr als Regelgebühr
Besondere Anwendungsfälle für die Zeitgebühr als Regelgebühr entstehen dann, wenn sich bei Sachverhalten ergibt, dass hierfür in der StBVV kein ausdrücklicher Gebührentatbestand vorliegt bzw. für die vorgesehene Wertgebühr kein Gegenstandswert – auch nicht durch Schätzung – ermittelt werden kann. Bei Gebührentatbeständen, die nicht in der StBVV genannt sind, kann sich aus § 2 StBVV eine sinngemäße Anwendung eines Gebührentatbestands mit Zeitgebühr ergeben. Hierunter fallen insbesondere Tätigkeiten gemäß § 21 StBVV:
- Steuerliche Gestaltungsberatungen bei Unternehmen
- Gestaltungsberatungen für steuerliche Zwecke bei Unternehmensgründungen
- Gestaltungsberatungen bei Entlohnung von Arbeitnehmern mit steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen
- Beratungen bei Investitionen sowohl im betrieblichen als auch im privaten Bereich, soweit sie für steuerliche Zwecke erfolgen
- Beratungen im Zusammenhang mit der Erstellung eines Fragebogens für die Finanzbehörde über die Eröffnung eines Unternehmens. In diesem Zusammenhang sind i. d. R. Beratungen für mehrere Steuerarten (Umsatz-, Lohn-, Gewerbe-, Einkommen- oder Körperschaftsteuer) erforderlich.
Beispiel
Ein bisher als Arbeitnehmer tätiger Mandant will neben seiner Arbeitnehmertätigkeit ein kleines gewerbliches Unternehmen gründen. Um den Fragebogen des FA ausfüllen zu können, möchte er wissen, welche Steuern für sein Unternehmen anfallen. Die Beratung bezieht sich u. a. auf die umsatzsteuerliche Frage, ob es sich um ein Kleinunternehmen oder um ein Unternehmen mit steuerpflichtigen (oder ggf. steuerfreien) Umsätzen handelt. Weiter ist zu beraten, welche steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen die Beschäftigung von Aushilfskräften auslöst, die Frage der Gründung einer GmbH steht ggf. auch im Raum und steuerliche Belastungen aus Ertragsteuer sind zu klären. Das Ausfüllen des Fragebogens des FA ergibt sich hierbei als Nebenprodukt und ist in die Zeitgebühr gemäß § 21 StBVV i. V. mit § 13 Abs. 2 StBVV einzubeziehen.
Zeitgebühr anstelle der Wertgebühr
Mit einer Zeitgebühr anstelle der Wertgebühr werden Tätigkeiten abgerechnet, für die es in der StBVV einen Gebührentatbestand für die Berechnung einer Wertgebühr gibt, bei denen der Gegenstandswert jedoch auch nicht auf dem Wege der Schätzung ermittelt werden kann. Darunter fallen z. B.:
- Ausfüllen eines Fragebogens zur Ermittlung des Einheitswerts eines Mietwohngrundstücks gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 11 StBVV i. V. mit § 13 Abs. 2 StBVV
- Ermittlung des Werts von Gebäuden für Zwecke der Bedarfsbewertung nach dem ErbStG nach dem Sachwertverfahren gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV i. V. mit § 13 Abs. 2 StBVV
Abweichend von den Vorschriften der StBVV kann der Steuerberater mit seinem Auftraggeber i. S. des § 4 Abs. 1 StBVV anstelle einer Wertgebühr die Zeitgebühr vereinbaren (BGH 21.3.96, IX ZR 240/95, NJW 96, 1954). Um bei der Abrechnung Streitigkeiten mit dem Auftraggeber zu vermeiden, sollten derartige Vereinbarungen schriftlich erfolgen. Der BGH hat jedoch in seinem Urteil vom 21.9.00 (IX ZR 437/99, Abruf-Nr. 010234) festgestellt, dass auch die mündliche Vereinbarung eines höheren Stundensatzes als er nach § 13 StBVV zulässig ist (im Rahmen einer Selbstanzeige) zivilrechtlich wirksam ist. Eine solche dürfte jedoch häufig schwer nachzuweisen sein.
Keine Anwendung von Zeitgebühren
Zeitgebühren dürfen nicht angewendet werden bei
- Gebühren im Rechtsbehelfsverfahren nach § 40 StBVV,
- Gebühren im Verwaltungsvollstreckungsverfahren gemäß § 44 StBVV i. V. mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz,
- Vergütungen in gerichtlichen und anderen Verfahren gemäß § 45 StBVV,
- Vergütungen bei Prozesskostenhilfe i. S. des § 46 StBVV.
Ordnungsmäßige Berechnung der Zeitgebühr
In § 13 StBVV wird lediglich der Rahmen der Zeitgebühr festgesetzt. Grundsätzlich ist jedoch von einer Stundengebühr auszugehen, weil nach § 9 Abs. 2 S. 2 StBVV eine Zusammenfassung der berechneten Zeitgebühren nach demselben Stundensatz erfolgen kann. Das bedeutet, dass der zeitliche Maßstab für die Berechnung der Zeitgebühr die halbe Stunde ist, während bei der Abrechnung von einem Stundensatz ausgegangen werden kann.
Der Gebührengegenstand ist jedoch nicht in § 13 StBVV benannt, sondern in anderen Bestimmungen, die Grundlage für die Berechnung der Zeitgebühr sind. So wird von der Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf 22.4.93, 13 U 177/92, GI 93, 398; Eckert, § 9 Anm. 2.2 „Beispiel Zeitgebühr“; Feiter in „Die Information über Steuer und Wirtschaft“, 97, 118 ff.: „Formerfordernisse bei Gebührenrechnungen“; Rn. 15 zu § 9 Meyer-Goez-Schwamberger, Praxiskommentar zur StBVV, Berlin, 7. Auflage 2013) gefordert, dass stets der Gebührentatbestand i. V. mit § 13 StBVV genannt werden muss.
Beispiel
Bei der Berechnung von Vorarbeiten zur Erstellung des Jahresabschlusses muss für die Berechnung der Zeitgebühr § 35 Abs. 3 StBVV i. V. mit § 13 StBVV genannt werden. Sonst kann der Auftraggeber nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Vorschrift die Gebühr zu Recht anfällt.
In den Fällen, in denen nach § 13 Nr. 2 StBVV auch nicht auf dem Schätzungswege ein Wert für die Bemessung der Wertgebühr festgelegt werden kann, ist ebenfalls ein Gebührentatbestand zu benennen.
Beispiel
Die Beratung über die Vergleichsrechnung, ob der Mandant sein Unternehmen aus steuerlichen Gründen in eine GmbH oder eine GmbH & Co. KG umwandeln sollte, ist gemäß § 21 StBVV nach einer Wertgebühr zu berechnen. Da sich aufgrund der Vergleichsrechnungen jedoch kein konkreter Wert ergibt und eine Addition der steuerlichen Unterschiede zur Führung des Einzelunternehmens nicht möglich ist, weil viele steuerliche Aspekte Einfluss auf die gesamte steuerliche Belastung des umgewandelten Unternehmens haben, ist eine Zeitgebühr nach § 21 i. V. mit § 13 StBVV zu berechnen.
Zeitgebühren und Pauschalvergütungen
In die Vereinbarung von Pauschalgebühren gemäß § 14 StBVV können auch solche Leistungen einbezogen werden, die nach der StBVV mit einer Zeitgebühr zu berechnen sind, soweit es sich um laufend anfallende Tätigkeiten handelt.
Beispiel
Die jährliche Erstellung des Jahresabschlusses sowie der betrieblich und privat jährlich anfallenden Steuererklärungen und die Prüfung der jährlich ergehenden Steuerbescheide werden vom Steuerberater in einer schriftlichen Vergütungsvereinbarung in die monatliche Pauschalgebühr einbezogen.
Beachten Sie: Zu berücksichtigen ist, dass es sich nach § 14 StBVV um laufend auszuführende Tätigkeiten handeln muss. Die in § 14 Abs. 2 StBVV genannten Tätigkeiten können nicht in einer Pauschalvergütung vereinbart werden.
Zeitgebühren für vereinbare Tätigkeiten
Die Vorschriften der StBVV sind nicht für vereinbare Tätigkeiten anzuwenden. Für derartige Tätigkeiten, für die Zeitgebühren berechnet werden können, sind grundsätzlich die üblichen Gebühren i. S. der §§ 612, 632 BGB zu berechnen. Hierbei ist die übliche Gebühr wie bei anderen Berufsgruppen (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmensberater usw.) i. d. R. erheblich höher als die Gebühren, wie sie nach § 13 StBVV benannt sind. Die Beratungsgebühren der genannten Berufsgruppen belaufen sich meistens auf einen Stundensatz von 250 bis 500 EUR. Diese können auch vom Steuerberater für entsprechende Tätigkeiten verlangt werden. Derartige Stundensätze dürften jedoch bei den Mandanten, für die auch die steuerliche Beratung erbracht wird, Widerspruch herausfordern. Selbstverständlich ist es möglich, Stundensätze analog § 13 StBVV auch für vereinbare Tätigkeiten zu erheben oder zu vereinbaren.
Nachweis des Zeitaufwands
Für alle zu berechnenden Zeitgebühren gilt, dass im Zweifelsfall der Steuerberater den Nachweis führen muss, welcher Zeitaufwand erforderlich und angemessen ist. Dies kann bei umfangreichen Tätigkeiten nur mit einer exakt geführten Leistungserfassung erfolgen:
- In den Leistungsaufzeichnungen sind mindestens das Datum der Tätigkeit, die Art der Tätigkeit und der Hinweis auf Urkunden oder Unterlagen, die für diese Tätigkeit erforderlich waren, anzugeben. Auch Hinweise auf ein Studium der Akten oder der Fachliteratur wegen steuerlicher Tatbestände sind zulässig.
- Weiterhin sind bei Besprechungen die teilnehmenden Personen zu benennen sowie der Anfang und das Ende der Besprechung anzugeben. Auch Recherchen, die ggf. im Internet erforderlich werden, sind zeitlich zu berücksichtigen und zu benennen. Die Angaben, welche Person diesen Zeitaufwand erbracht hat und ob besondere Schwierigkeiten bestanden, sind in den Aufzeichnungen mit zu erwähnen.
- Die dezidierte Darlegung des in Rechnung gestellten Zeitaufwands für bestimmte Tätigkeiten ist auf der Rechnung nicht zu dokumentieren, weil dies bei umfangreichen Fällen zu einer überdimensionierten Darstellung führen würde. Um jedoch die Verständlichkeit, Transparenz und Nachprüfbarkeit der berechneten Tätigkeit zu ermöglichen, wird von der Rechtsprechung gefordert, dass die einzelnen Tätigkeiten bei der Berechnung einer Zeitgebühr spätestens im Rechtsstreit spezifiziert vorgetragen werden und dass dargelegt wird, wer sie ausgeübt hat und welcher Zeitaufwand für die einzelne Tätigkeit aufgewendet worden ist.
Mit Recht weist das OLG Hamm (19.8.98, 25 U 42/98, GI 98, 301) darauf hin, dass bei Streitigkeiten nicht der tatsächliche Zeitaufwand für die Bestimmung der angemessenen Gebühr maßgeblich ist. Dazu kann ein Sachverständiger naturgemäß nichts sagen. Stattdessen ist der Aufwand entscheidend, der nach der Art der Tätigkeit erforderlich gewesen wäre. Dies bedeutet, dass der in Rechnung gestellte Zeitaufwand dahingehend zu überprüfen ist, ob der Zeitumfang nach objektiver Beurteilung notwendig und sachlich begründet ist.